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Neue IWF-Strategie?

10.10.2005: Zur Reformdiskussion beim IWF. Ein Kommentar von Daniela Setton, Oktober 2005

(erschienen in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 11/2005 blaetter-online.de/archiv.php?jahr=2005&ausgabe=11)

Es scheint, als drohe dem Internationalen Währungsfond (IWF) die Bedeutungslosigkeit. Im Jahr nach seinem 60. Geburtstag läuft ihm zunehmend die Kundschaft weg. Zwar ist es in krisenfreien Zeiten immer etwas ruhiger um den Fond gewesen. Doch die Beteiligung an IWF-Programmen ist inzwischen auf den niedrigsten Stand seit 1975 gesunken. Noch 2003 hatte der IWF mit einer Neuvergabe von 22 Kreditprogrammen in Höhe von 45 Mrd. US-Dollar das hohe Niveau der Vorjahre fortgesetzt. Im Zeitraum von Juli 2004 bis Juni 2005 konnten lediglich 14 neue Kreditprogramme in einer Gesamthöhe von mageren 2,5 Mrd. US-Dollar abgeschlossen werden.

Dieser Rückgang macht deutlich, dass sich die Abhängigkeit wichtiger Kreditnehmer von den Finanzspritzen des Fonds erheblich verringert hat. Nach der krisengeschüttelten Vergangenheit sind die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Schwellenländer wieder positiv. Asiatische Schwellenländer sind aufgrund ihrer hohen Devisenreserven schon länger nicht mehr auf Mittelzuflüsse durch den Fonds angewiesen. Zunehmend wird das Wiederaufleben privater Kapitalflüsse also dazu genutzt, sich aus den Fängen des IWF zu befreien. Wenn nötig, wird dazu auch Nachbarschaftshilfe aktiviert: So hat sich Argentinien kürzlich lieber bei der venezolanischen Regierung verschuldet, als das IWF-Programm zu verlängern. Daran zeigt sich, wie unbeliebt der IWF ist. Viele Länder scheuen die rigiden makroökonomischen und fiskalpolitischen Auflagen, die der Bevölkerung hohe soziale Kosten aufbürden und eine erhebliche Einschränkung des politischen Handlungsspielraums bedeuten.

Drohender Bedeutungsverlust

Setzt sich diese Tendenz fort, wird der IWF zunehmend Einfluss auf die Politik der wichtigsten Empfängerländer verlieren. Ohne deren Angewiesenheit auf ein Kreditprogramm fehlt ihm der entscheidende Hebel, um seine umstrittenen Politikempfehlungen durchzusetzen.

Diese Erfahrung kennt der Fonds seit Jahren in Bezug auf die Industrieländer. Deren Finanzminister und Notenbankgouverneure bestimmen zwar den Kurs des Fonds und nutzen ihn zur Durchsetzung ihrer eigenen außenwirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen. Auf seine Politikempfehlungen hören sie jedoch nicht. Umsonst beschwert sich der IWF z.B. darüber, dass die Industrieländer - allen voran die USA - seiner Aufforderung nicht nachkommen, den globalen Handelsungleichgewichten gegenzusteuern.

Dasselbe Schicksal möchte er keinesfalls in Bezug auf die Schwellen- und Entwicklungsländer erleiden. Der IWF-Direktor Rodrigo Rato brachte das folgendermaßen auf den Punkt: Der Fond muss seine Rolle neu definieren, um relevant zu bleiben.

Also veröffentlichte der IWF-Chef pünktlich zur diesjährigen Jahrestagung von IWF und Weltbank im September die Ergebnisse seiner einjährigen Untersuchung zur Zukunft des IWF. Die darin festgelegte Marschroute für die nächsten Jahre wurde auf der Sitzung des Internationalen Finanz- und Währungsausschusses des Fonds abgesegnet.

Die sog. "Neuausrichtung" des IWF bietet jedoch wenige Überraschungen. Am Kernmandat, der Förderung makroökonomischer Stabilität, wird erwartungsgemäß festgehalten. Allerdings erfährt dies mit Verweis auf die Globalisierung eine signifikante Umdeutung: die zentrale Aufgabe des Fonds soll heute die Unterstützung der Mitgliedsländer bei einer erfolgreichen Integration in die Weltwirtschaft sein. Dazu soll zukünftig besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Empfängerländer eingegangen werden. Diese "Anpassung" seines Kernmandats spannt ein konzeptionelles Dach über alle möglichen Aktivitäten des IWF: sei es in struktur-, entwicklungs-, finanz- oder wirtschafspolitischer Hinsicht.

Um wieder mehr Einfluss zu bekommen, setzt Rato auf eine Stärkung der Überwachungsfunktion des IWF. Hier geht es vor allem um mehr und zielgenauere Analyse der wirtschaftlichen Bedingungen und Anpassungsnotwendigkeiten der Mitgliedsländer. Der Fond will aber auch mehr Einfluss im internationalen Wirtschafts- und Entwicklungsdiskurs. Er will in Zukunft mehr "Überzeugungsarbeit" leisten, um wieder ins Geschäft zu kommen.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist die stärkere Ausdifferenzierung der Kreditinstrumente. Schwellenländern will der IWF mit einem Versicherungsinstrument gegen die schwankungsanfälligen Kapitalströme entgegenkommen. Seine Rolle in Entwicklungsländern will der Fond mit zwei neuen Instrumenten stärken: einem Kreditinstrument, das Entwicklungsländern bei exogenen Schocks zusätzliche Ressourcen bereitstellen soll, sowie einem Policy Support Instrument (PSI), das es dem Fond erlaubt, seine üblichen Programme laufen zu lassen, ohne dass daran noch eine Kreditvergabe gekoppelt ist. Trotz der Ankündigung, sein Profil in den Entwicklungsländern stärker von dem anderer Geber abzugrenzen, will der IWF weiterhin in entwicklungs-, wirtschafts- und strukturpolitischen Bereichen in Entwicklungsländern aktiv bleiben.

Bemerkenswert ist, dass sich Rato im Rahmen der strategischen Neuorientierung für eine Demokratisierung der Entscheidungsstrukturen des IWF stark macht. Die Legitimität des Fonds - und damit auch dessen Attraktivität - lässt sich seiner Einschätzung zufolge nur durch eine Neubestimmung der Stimmrechtsverteilung wiederherstellen. Diese ist in der Tat längst überfällig. Es besteht jedoch die Gefahr, dass dabei die ärmeren Entwicklungsländer verlieren; bei einer Stimmrechtsreform, die vor allem auf die Anpassung der gestiegenen weltwirtschaftlichen Position der Schwellenländer zielt, würden deren Interessen noch stärker marginalisiert. Wie ernst es Rato meint, auch afrikanischen Ländern mehr Mitspracherechte zu ermöglichen, bleibt abzuwarten.

Zuckerbrot und Peitsche

Ein kürzlich entfachter Konflikt zwischen IWF und US-Regierung macht deutlich, dass der Fonds im Umgang mit Schwellenländern tatsächlich neue Prioritäten zu legen scheint. Die massive Verärgerung der US-Regierung über die anhaltende Weigerung Chinas und anderer asiatischer Schwellenländern, ihre Wechselkurse deutlich aufzuwerten, lässt ihn weitestgehend unbeeindruckt. Die US-Regierung wirft ihm daraufhin vor, eine seiner wichtigsten Aufgaben "am Steuer zu verschlafen". Er solle vor allem gegenüber China endlich eine harte Haltung einnehmen und auf eine deutliche Aufwertung des Yuan drängen. Dass der IWF der US-Regierung in dieser Frage eine klare Absage erteilt, unterstreicht die neue strategische Ausrichtung. Die Devise lautet: technische Beratung und "leise Diplomatie". Ob es auf Dauer gelingen wird, sich der US-Regierung zu widersetzen, bleibt allerdings abzuwarten.

Das stärkere politische Zugehen auf die Interessen der Schwellenländer ist als positives Signal zu werten. So sehr die Zeichen bei den großen Schwellenländern jedoch auf sanfte Annäherung stehen, so wenig ist der IWF bereit, seine Rolle als finanz- und wirtschaftspolitischer Zuchtmeister der übrigen Entwicklungsländer aufzugeben. Dazu setzt er vor allem auf eine Stärkung seiner "Signalgeberfunktion", mit der er den Mittelzufluss von bilateralen Gebern und privaten Investoren in Entwicklungsländer steuern kann. Mit dem PSI hat er ein effektives Instrument geschaffen, das den IWF keinen einzigen US-Dollar mehr kostet, ihm aber weiterhin eine effektive Kontrolle der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Länder ermöglicht. Das hochverschuldete Nigeria ist der erste Kandidat, dem das neue PSI des IWF aufgezwungen wird. Ohne eine Einführung dieses neuen Instruments wird Nigeria keinen Schuldenerlass beim Pariser Club, dem informellen Zusammenschluss der Gläubigernationen, erhalten.

Auch nach der vermeintlichen Neuorientierung des IWF kommt ein Gemischtwarenladen heraus, der einige Produkte im Sortiment besser ins Rampenlicht rückt und die Verpackung verschönert. Mit seiner eigentlichen Kernaufgabe - der kurzfristigen Unterstützung von Ländern bei Zahlungsbilanzkrisen - hat dies kaum etwas zu tun. Wer dem Fond angesichts dieser breiten Agenda jedoch eine "Identitätskrise" attestiert, liegt falsch - der IWF setzt lediglich den Trend der letzten Jahre fort. Seit seiner Gründung vor über 60 Jahren hat er - ebenso wie die Weltbank - einen bemerkenswerten Wandel durchgemacht. Auf Veränderungen des weltwirtschaftlichen Umfelds hat er mit einer permanenten Ausweitung seines Aufgabenfeldes reagiert und sich damit Einfluss und einen Zuwachs an Ressourcen gesichert. Im Moment besteht die Schwierigkeit für den Fond vor allem darin, auch in krisenfreien Zeiten relevant zu bleiben. Nach eigenen Aussagen ist die eingeschlagene Strategie aber "nicht revolutionär, sondern evolutionär".

Und genau darin liegt das Problem. Der IWF sucht seine Aktivitäten nicht anhand dessen aus, was er kann - sondern danach, was ihm Einfluss sichert. Sicherlich ist die Reichweite der Reformagenda vom politischen Kalkül der Hauptanteilseigner begrenzt. Doch es gibt ein massives Eigeninteresse: deshalb wird er beispielsweise das Feld der Entwicklungspolitik auch nicht so schnell der Weltbank überlassen.

Das Problem liegt in diesem Kontext jedoch weniger darin, dass der IWF dem Glauben aufsitzt, "mit öffentlichem Geld lasse sich der Weg aus der Armut erkaufen". Die schlichte Wahrheit ist: Eine Institution, die bei allen Politikempfehlungen vor allem auf makroökonomische Variablen schielt, versagt als Entwicklungshelfer. So erzwingt der Fond bspw. nach wie vor in vielen Ländern drastische Ausgabenkürzungen im Gesundheits- und Sozialbereich, um sein rigides Inflationsziel durchzusetzen. Da nutzt es auch nichts, dass er Ende der 90er Jahre das Ziel der Armutsbekämpfung als eine seiner Hauptaufgaben definiert hat. Seine rigiden Auflagen haben in den meisten Ländern zu einer massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen der Menschen geführt - zugunsten der ausländischen Gläubiger.

Keine Lösungen

Erschütternd ist, dass der IWF auch mit seiner neuen Strategie weit davon entfernt ist, wirkliche Lösungen für die Probleme vieler Länder anzubieten. So setzt die neue ‚Schockfazilität’ für Entwicklungsländer ebenso wie das neue ‚Versicherungsinstrument’ gegen volatile Kapitalströme an den Symptomen einer für Schwellen- und Entwicklungsländer nachteiligen Weltwirtschaftsordnung an. Es sind keinerlei Ansätze zu erkennen, auf globaler Ebene anzusetzen um beispielsweise die instabilen globalen Kapitalströme auf der Basis gleicher Regeln für alle zu regulieren. Der IWF setzt weiterhin auf die Anpassung der Entwicklungsländer an die von Industrieländern dominierte Weltwirtschaft.

Reformbedarf besteht jedoch nicht nur hinsichtlich der ungerechten Machtverteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Die Reform muss daran ansetzen, wie und mit welchen Interessen auf internationaler Ebene Entscheidungen getroffen werden. Im IWF haben Finanz-, Wirtschafts- und Handelsminister das Sagen, die vor allem bestimmte Handels- und Finanzinteressen vertreten. Die Menschen, die von diesen Entscheidungen direkt betroffen sind, haben kein Mitspracherecht. Die von einigen Effizienzbefürwortern geforderte Fusion von IWF und Weltbank würde hier sogar voraussichtlich noch zu einer stärkeren Machtzentrierung führen. Sinnvoller ist es, für beide Institutionen endlich Kernaufgaben zu definieren, an die sie sich auch halten. Die problematische Doppelstruktur besteht nicht zwischen IWF und Weltbank, sondern zwischen den beiden mächtigen Finanzinstitutionen und der UNO. Letztere müsste dringend gegenüber IWF und Weltbank gestärkt werden.

Angesichts der globalisierten Finanzmärkte und volatilen Kapitalströme besteht ein dringender Bedarf nach einer Institution, die kooperativ vereinbarte Regeln zur Stabilisierung der Weltwirtschaft für alle Länder gleichermaßen umzusetzen vermag. Dazu ist ein Richtungswechsel nötig. Es wäre schön, wenn der IWF sich in dieser Hinsicht doch noch als lernfähig erweisen würde.