Begrenzung von Monopolmacht entscheidend für sozial-ökologischen Wandel

Welche Folgen hat die zu groß gewordene Macht von Konzernen auf uns, lokal und global?

Veranstaltung-Monopolmacht

Anfang November 2023 ging es bei unserer Konferenz Monopolmacht gemeinsam zurückdrängen im Frankfurter Haus am Dom um das Thema Monopolmacht. Welche Folgen hat die zu groß gewordene Macht von Konzernen auf uns, lokal und global? Wie beeinflusst sie Wirtschaft, Umwelt, Gesellschaft und die Demokratie? Und wie können wir sie zurückdrängen?

Als Einstieg ins Thema stellte der Autor Hans-Jürgen Jakobs sein Buch "Das Monopol im 21. Jahrhundert" vor und ging dabei auf die zentralen Herausforderungen ein, denen wir aktuell begegnen. In den letzten Jahren gab es eine extreme Konzentration bei drei Schlüsselfaktoren, die zum nachhaltigen Umbau der Wirtschaft benötigt werden: Rohstoffe, Daten und Kapital.

Monopole führen laut Jakobs zu hohen Preisen für Verbraucher*innen, setzen Lieferanten unter Druck und bewirken, dass die Einflussmöglichkeiten von Arbeitnehmer*innen schwinden. Monopole sind nicht innovativ. Sie haben politische Macht und Einfluss auf Meinungsbildung, insbesondere durch von ihnen kontrollierte soziale Netzwerke. Durch die Monopolisierung von Daten, insbesondere unter Medienkonzernen, wird der Einfluss und die Kontrolle über gesellschaftliche Debatten ermöglicht. Monopole beschränken sich zudem meist nicht auf nur einen Markt, sondern erweitern ihre Macht kontinuierlich. Amazon ist sowohl ein Marktplatz für Drittanbieter, konkurriert aber selbst als Produzent und Händler mit eigenen Waren und kann dabei die Regeln des Wettbewerbs auf der Plattform bestimmen. Gleichzeitig bietet Amazon Dienste wie Amazon Cloud Services oder die Streaming-Plattform Prime Video an.

Mit dem Vortrag wurde klar: Monopole müssen zurückgedrängt werden. Und gleichzeitig sind sie bereits "too big to fail" und können nicht ohne Systemrisiken aus dem Markt ausscheiden. Möglichkeiten, dem etwas entgegenzusetzen sieht der Autor beispielsweise in der Förderung von Start Ups und Innovationen im Kleinen. Diese dürften dann nicht wieder von den großen aufgekauft werden, bevor sie zur Konkurrenz werden. Auch die kürzlich Reform des Kartellrechts, durch die die rechtliche Grundlage zur Zerschlagung von Monopolen geschaffen wurde, hält er für einen Schritt in die richtige Richtung. Gleichzeitig brauche es aber auch eine Aufstockung der Aufsichtsbehörden und mehr internationale Zusammenarbeit zwischen Kartellämtern, sowie eine größere Sensibilisierung der Bevölkerung für diese Problematik.

 

Vermachtung im Finanzsektor

Anknüpfend an die Buchvorstellung ging Alison Schultz vom Tax Justice Network näher auf die problematische Monopolstellung von Vermögensverwaltern ein. Die drei größten sind BlackRock, Vanguard und State Street. Bei 90% der größten US-Unternehmen ist einer dieser drei Vermögensverwalter größter Anteilseigner. Sie dominieren den Markt für ETFs (exchange-traded funds, börsengehandelter Fonds) und führen zu weniger Wettbewerb zwischen Unternehmen dadurch, dass sie hohe Anteile an verschiedenen Unternehmen der gleichen Branche halten. Sie agieren sowohl für die Politik als auch für Unternehmen, wodurch es oft zu massiven Interessenskonflikten bei Regulierungen kommt. So entwickelte BlackRock beispielsweise einerseits Nachhaltigkeitsstrategien und -auflagen im Bankenwesen für die EZB und ist andererseits der größte Shareholder von Öl-, Gas- und Kohleunternehmen.

 

Marktmacht als Stolperstein für den sozial-ökologischen Wandel

Der Finanzsektor will sich als Vorreiter einer sozial-ökologischen Transformation positionieren, ist aber ein großer Bremser. Laut Alison Schultz braucht es zwei Dinge, damit der sozial-ökologische Wandel erfolgreich ist: Erstens Geld und zweitens Daten. Geld ist am Finanzmarkt ausreichend vorhanden: die Wissenschaftlerin führt an, dass beispielsweise 23 Mrd., die für die Bankenrettung ausgegeben wurden, noch nicht zurückgezahlt bzw. nicht zurückgefordert wurden. Daten benötigen wir um sicher zu gehen, dass Geld wirklich da ankommt wo es hin soll und, um z.B. Steuervermeidung aufzudecken.

Uli Müller von Rebalance Now betonte, dass Marktmacht auch politische Macht bedeutet und demokratische Gestaltungsmöglichkeiten in vielerlei Hinsicht stark eingeschränkt. Sie verlangsamt den sozial-ökologischen Wandel, weil Konzerne durch ihre Lobbymacht Gesetze für wirksamen Klimaschutz verhindern oder weil kleinere Unternehmen, die zukunftsfähigere Produkte oder Dienstleistungen entwickeln, aufgekauft werden, bevor sie zu Konkurrenten werden. Das bestehende, meist nicht nachhaltige Geschäftsmodell, wird mit Hilfe ihrer Macht aufrecht erhalten.
Monopolmacht verstärkt ebenso soziale Ungleichheit, z.B. durch höhere Preise, die die Monopole setzen können, Steuervermeidung oder die Konzentration des Besitzes in den Händen weniger Unternehmen.

Uli Müller schlug vor, soziale und ökologische Kriterien stärker im Kartell- und Wettbewerbsrecht zu verankern. Er betonte die Notwendigkeit einer Gegenbewegung, der Schaffung von Öffentlichkeit und der Einbindung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU). Als positives Beispiel führte er die aktuelle Anti-Monopolbewegung in den USA an, die bereits Erfolge erzielt hat und unter der Regierung von Joe Biden an wichtige Positionen gelangt ist. In Deutschland wurde 2018 das zivilgesellschaftliche Bündnis Konzernmacht beschränken ins Leben gerufen. Auch sein neuer Verein, Rebalance Now, soll mit einer Kombination aus Expertise, Netzwerkarbeit, öffentlicher Kritik und Kampagnenarbeit die Anti-Monopolarbeit in Deutschland und Europa voranbringen.

Insgesamt wurde am Freitagabend deutlich: Es ist Zeit ist, der immer weiter wachsenden Monopolmacht Einzelner gemeinsam entgegen zu treten!

 

Dimensionen und Auswirkungen von Monopolmacht in verschiedenen Sektoren und Strategien sie zu begrenzen

Am Samstag beleuchtete Thomas Dürmeier von Goliathwatch verschiedene Dimensionen von Konzernmacht. Marktmacht ist nur ein Teil von Konzernmacht. Aus seiner Sicht führt die Marktvermachtung zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden und reduziert zugleich den Wohlstand der Endverbraucher*innen. Antimonopolpolitik muss daher nicht nur Verbraucherschäden berücksichtigen, sondern auch die negativen Folgen für Wirtschaft, Demokratie und Gesellschaft. Auch er setzt sich dafür ein, das Thema bekannter zu machen und ein Problembewusstsein zu etablieren. Denn nur durch gesellschaftlichen Widerstand sind politisches Handeln und wissenschaftliche Forschung gegen Konzernmacht möglich.

Max Bank von Lobby Control ging in seinem Vortrag auf die Lobbymacht der großen Digitalkonzerne und deren Auswirkungen auf politische Prozesse ein. Die Lobbyausgaben in der EU sind in den letzten zwei Jahren stark angestiegen, wobei vier der sechs größten Lobbyakteure Tech-Konzerne sind. Tech-Unternehmen investieren damit signifikant mehr in Lobbyarbeit als andere Branchen. Max Bank unterstrich außerdem die Rolle von Wirtschaftsberatungsfirmen in der EU-Wettbewerbspolitik, deren Einfluss oft intransparent ist. Er plädierte für mehr Öffentlichkeit, Debatte und Transparenz in Entscheidungen, sowie für mehr Distanz zwischen Beratungsunternehmen und Wettbewerbsbehörden, um Interessenskonflikte zu vermeiden.

In den anschließenden Impulsvorträgen gingen die drei Referent*innen auf die Situation in verschiedenen Sektoren ein: Alison Schultz machte erneut die Vermachtung im Finanzsektor deutlich und Max Bank fokussierte seinen Impuls auf die Macht großer Tech-Konzerne und das Gutachten, welches LobbyControl gerade zur möglichen Zerschlagung von Amazon herausgegeben hat. Matthias Fiedler vom Forum Fairer Handel verdeutlichte anhand der Lieferkette von Kaffee, an welchen Knotenpunkten sich Monopolmacht negativ auswirkt, beispielsweise auf die Arbeitsbedingen auf Kaffeeplantagen oder in Röstereien.

Anschließen vertieften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diese drei Sektoren in parallelen Workshops: Sie diskutierten, wie man die Themen breiter in die Öffentlichkeit tragen kann und mit welchen Strategien sich die Situation verändern lässt. Beispielsweise wurde überlegt, wie man die negativen Folgen der Marktmacht von Amazon erklären kann, wenn viele Kund*innen gleichzeitig sehr zufrieden mit den Diensten des Konzerns sind.

 

Neue Bewegungen gegen Monopolmacht & die gewerkschaftliche Perspektive

Abschließend brachte Sebastian Kramer von der IG Metall die gewerkschaftliche Perspektive auf das Thema Monopolmacht in die Debatte ein. Er diskutierte mit Nelly Grotefendt vom Forum Umwelt und Entwicklung, Uli Müller von Rebalance Now sowie dem Publikum über die Frage, wie eine Anti-Monopol-Bewegung gestärkt werden kann. Aus Sicht von Nelly Grotefendt braucht es neben starken Partnern dazu viel Öffentlichkeitsarbeit und eine immer neue Betonung der Relevanz und Wichtigkeit des Themas.

Gewerkschaften, so Sebastian Kramer, sind nach wie vor eine wichtige gesellschaftliche und politische Macht, wenn man auf die Mitgliedszahlen und die Ausstattung mit Ressourcen blickt. NGOs, die an einer Gegenbewegung zu Monopolmacht arbeiten, sollten deshalb versuchen Gewerkschaft als Verbündete zu gewinnen. Gleichzeitig liegt der gewerkschaftliche Fokus auf gerechten Löhnen und Arbeitsbedingungen. Mitarbeiter*innen könnten skeptisch gegenüber der Forderung einer Konzernzerschlagung sein, da sie sich oft mit ihrem Unternehmen identifizieren und um ihre Löhne oder Stellen besorgt sind. Überschneidungen gibt es häufig bei der kritischen Prüfung von Unternehmensfusionen, da diese ebenfalls oft mit dem Verlust von Arbeitsplätzen einhergehen. Dennoch sieht Sebastian Kramer viel Potential, die "Kämpfe (besser) zu verbinden".
Er warnte davor, den Wettbewerb als Allheilmittel zu betrachten, denn die problematische Externalisierung von Kosten findet auch in wettbewerbsorientierten Märkten statt. Seine Lösungsvorschläge umfassten einen Dreiklang aus einem sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft, einer stärkeren Regulierung durch Kartellrecht und demokratischer Marktgestaltung, einschließlich Mitbestimmung.

Uli Müller sieht eine breite Anti-Monopolbewegung als einen wichtigen Baustein für den sozial-ökologischen Wandel an. Auch (zivil)gesellschaftliches Engagement gegen Monopole sei deshalb dringen nötig, wofür er sich mit seinem neu gegründeten Verein Rebalance Now einsetzt.

Nelly Grotefendt fokussierte sich auf die Rolle des Kartellrechts als Instrument in der Anti-Monopol-Arbeit und die Chance, dieses nach der kürzlichen Reform besser zu nutzen. Sie rief dazu auf, dass sich die Zivilgesellschaft verstärkt dem Thema widmen und es in die Öffentlichkeit tragen soll. Auch lokale Gruppen können einen wichtigen Beitrag leisten, in dem sie z.B. Vorträge oder Veranstaltungen zu dem Thema organisieren.

Die Tagung endete mit der positiven Perspektive, dass die gesellschaftliche Bewegung gegen Monopolisierung wächst. Mit der Konferenz konnte das Thema nicht nur den ca. 55 Teilnehmenden nähergebracht werden, sondern lieferte auch uns wichtige neue Impulse für unsere Anti-Monopol-Arbeit.

Wir bedanken uns bei unseren Kooperationspartnern Lobby Control, Forum Umwelt und Entwicklung, Haus am Dom - Katholische Akademie Rabanus Maurus, Misereor, Rebalance Now & Brot für die Welt

 


WEED wird das Thema Monopolmacht auch in Zukunft aktiv verfolgen und gegen die Macht zu groß gewordener Konzerne vorgehen. So könnt ihr uns dabei unterstützen:

  • Teilt unsere Publikationen zu dem Thema
  • Unterstützt unsere Arbeit mit einer Spende oder werdet Mitglied bei WEED
  • Abonniert unseren Newsletter
  • Kommt zu unseren Veranstaltungen
  • Folgt uns auf twitter oder Linked In, um über das Thema auf dem Laufenden zu bleiben

Mehr zur Arbeit von WEED zu Konzernmacht
Kontakt: Tina Haupt


Infos

  • Autor*innen : Tina Haupt
  • Referat: Finanzmärkte, Internationale Finanzen (allgemein), Konzernmacht

Unsere Arbeit unterstützen