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Ein Blick auf die Weltbankreform vor der Frühjahrestagung

11.04.2024: Kommende Woche geht es bei der Frühjahrestagung in Washington D.C. bei der Weltbank um die Umsetzung ihrer im vergangenen Jahr beschlossenen Reform. Die zivilgesellschaftliche Kritik am Prozess richtet sich weiter darauf, dass die Chance für eine tiefgreifende Reform der Weltbank vertan wird.

Von Verena Kröss

In einer Woche steht abermals die Frühjahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Washington D.C. vor der Tür. Vom 15. bis 20. April 2024 geht es bei der Weltbank um die Umsetzung und praktische Ausgestaltung ihrer im vergangenen Jahr beschlossenen Reform.

Die zivilgesellschaftliche Kritik am Prozess richtet sich vor allem darauf, dass die Chance für eine tiefgreifende Reform der Weltbank vertan wird. Der Reform liegt keine selbstkritische Analyse zugrunde, wie die Weltbank selbst zu den weltweit zu beobachtenden Problemen und Vielfachkrisen beigetragen hat und was dies für eine strukturelle Neuausrichtung der Bank bedeutet. Stattdessen zeichnet sich aktuell immer deutlicher ab, dass mit der versprochenen "besseren" Bank insbesondere eine effizientere Bank gemeint ist, die mit weniger Aufwand und in kürzerer Zeit größere Mengen an Kapital vergeben kann.

Stand der Weltbankreform

Bei der Jahrestagung im Oktober 2023 in Marrakesch wurde die Zuständigkeit der Weltbank offiziell um so genannte globale öffentliche Güter erweitert. Ihre Vision wurde um vier Worte ergänzt: "Eine Welt ohne Armut auf einem lebenswerten Planeten". So weit so unstrittig und unkonkret.

Erst in der praktischen Umsetzung wird sich in diesem Jahr zeigen, wie die Weltbank mit Spannungen und Interessenkonflikten innerhalb ihrer neuen Agenda umgehen wird. Dies fängt an bei der Priorisierung und Gewichtung verschiedener globaler öffentlicher Güter. Während Hauptanteilseigner wie Deutschland und die USA, die die Weltbankreform vorangetrieben haben, insbesondere Klimaschutz im Sinn hatten, sind auf Druck von Ländern des Globalen Südens auch Bereiche wie z.B. Zugang zu Energie, Ausbau der Digitalisierung und Nahrungssicherheit hinzugekommen. Im Papier des Weltbank-Managements für die Jahrestagung in Marrakesch wurden so acht globale Herausforderungen definiert und in sechs Programmen zusammengefasst die nun ausgearbeitet werden.

In der Umsetzung muss sich auch zeigen, ob das Verspechen eingehalten werden kann, dass die neue Agenda nicht auf Kosten ärmerer Länder geht. Beim Klimaschutz und der Reduktion von Emissionen geht es vor allem um Länder mit mittleren Einkommen. Für diese sollen Anreize geschaffen werden, damit sie stärker in Klimaschutz und Bereiche investieren, deren Nutzen über die eigenen Grenzen hinausgeht. In Zeiten knapper Haushalte, bedeuten neue Anreize immer auch eine Konkurrenz um knappe Gelder.

Während einerseits aktuell die finanziellen Anreizstrukturen (vergünstigte Zinsraten, längere Kreditlaufzeiten oder ein hohes Kreditvolumen) definiert werden, um Länder zu Investitionen in globale öffentliche Güter wie den Klimaschutz zu bewegen, steht andererseits auch die Verhandlung über die regelmäßige Wiederauffüllung der International Development Association (IDA) bis Ende des Jahres an. Diese vergibt als Unterorganisation innerhalb der Weltbankgruppe Darlehen zu besonders günstigen Konditionen an die aktuell 75 ärmsten Staaten der Welt. Zuschüsse der meisten G7-Staaten, so auch von Deutschland, an IDA waren in den letzten 10 Jahren rückläufig. Ob sich das mit Blick auf die aktuell angespannten Haushaltsdiskussionen ändern wird, ist mindestens fraglich. Auf dem Spiel steht jedoch ein gutes Stück Glaubwürdigkeit der G7-Staaten.

Die Debatte um verschiedene Maßnahmen der Bilanzoptimierung für eine "größere" Bank befindet sich weiterhin im Prozess. Bisher wurden vor allem Anpassungen beschlossen, die zu einer bescheidenen Erhöhung der Finanzierungskapazitäten von circa 50 Milliarden U.S.-Dollar insgesamt über die kommenden 10 Jahre führen sollen. Deutschland hat zudem als erstes Land in Marrakesch angekündigt 305 Millionen an s.g. Hybridkapital zur Verfügung zu stellen. Es wird erwartet, dass auf der Frühjahrestagung weitere Länder Hybridkapital und Portfoliogarantien zur Verfügung stellen werden.

Umsetzung der Reform

Das neue Weltbank-Management Papier zur Umsetzung der Reform mit dem erhabenen Titel "From Vision to Impact" (Von der Vision zur Wirkung) enthält wenig Überraschungen, verdeutlicht jedoch eindrücklich die Probleme der Reform aus kritischer zivilgesellschaftlicher Perspektive. Neben einigen Allgemeinplätzen, die in keiner Weltbankreform fehlen dürfen (bessere Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, wichtige Rolle der Weltbank in der Wissensvermittlung als Knowledge Bank), betont das Papier insbesondere die Schaffung einer effizienteren Bank, Wirkungsorientierung mithilfe der neuen Scorecard (s.u.) und einen verschärften Fokus auf die Mobilisierung privaten Kapitals.

Die effizientere Bank bezieht sich vor allem darauf, mit weniger Aufwand und in kürzerer Zeit größere Mengen an Kapital vergeben und nutzen zu können. Weltbankpräsident Ajay Banga versteht es in Interviews, diesen Prozess des Streamlinings vor allem als einen des Abbaus unnötiger Bürokratie, Redundanz, und kleinlicher Vorschriften zu verkaufen. All jene, denen es um hohe Sozial- und Umweltstandards, Mitspracherechte der lokalen Bevölkerung und gute Risikobewertungen geht sollten jedoch hellhörig werden bei der Ankündigung, die Projektvorbereitungszeit um ein Drittel auf 12 Monate im Jahr 2025 zu reduzieren.

Die Entwicklung einer neuen Scorecard, die für alle Unterorganisationen der Weltbankgruppe gelten soll, ist ein Herzstück der Umsetzung der Reform. Sie soll eine neue Bewertungsmatrix für die Arbeit der Weltbank liefern, die sich nicht mehr auf Inputs, sondern auf Wirkungen im Sozial- und Umweltbereich fokussiert. Eine erste Version hat die groben Bereiche vorgestellt, die von Themen wie Geschlechtergerechtigkeit und der Inklusion der Ärmsten bis zu einem grünen Planeten reichen. Die Indikatoren zur Messung sollen im Verlauf dieses Jahrs entwickelt werden. Eine stärkere Orientierung an Wirkungen ist grundsätzlich zu begrüßen. In der Scorecard droht Wirkungsorientierung jedoch auf die Umsetzung des technokratischen Traums der Messbarkeit reduziert zu werden, was einer ehrlichen und selbstkritischen Analyse im Weg stünde, welche Projekte wie genau umgesetzt werden sollten mit Blick auf ihre Wirksamkeit.

Dies lässt sich am Beispiel des profitorientierten privaten Gesundheitssektors verdeutlichen. Oxfam hat im vergangenen Jahr zahlreiche grobe Missstände und gravierende Fallbeispiele aus Projekten der profitorientierten Gesundheitsversorgung zusammengetragen, in die auch die International Finance Corporation (IFC), der Privatsektorarm der Weltbank, investiert hat. Diese systematischen Missstände lassen sich nicht dadurch vermeiden, dass die Weltbank eine neue Methodologie zur Schätzung und Erfassung entwickelt, wie viele Millionen Menschen sie über diese Projekte erreicht. Menschen ins Zentrum zu stellen ("people-centric Scorecard"), würde hingegen bedeuten, ihre Rechte ins Zentrum zu stellen, inklusive des allgemeinen Rechts auf gesundheitliche Versorgung. Dieses kann am besten über ein universales öffentliches Gesundheitssystem gewährleistet werden.

Ein entscheidender Bereich, der gleich komplett von der entwicklungspolitischen Wirkungsorientierung ausgenommen wurde, ist die Mobilisierung privaten Kapitals durch verschiedene Anreize und die Übernahme von Risiken durch öffentliche Organisationen wie die Weltbank. Die Mobilisierung privaten Kapitals in Milliardenhöhe ist in der Scorecard selbst eine Wirkung. Statt nach der konkreten Wirkung dieses Kapitals zu fragen, gilt hier die gefährliche Maxime des je mehr, desto besser. Ein Hohn für all jene, die seit Jahren auf die Gefahren des "Private Finance First" Ansatz der Weltbank hinweisen. Die Priorisierung privaten Kapitals bringt u.a. eine stärkere Ausrichtung von Infrastruktur und dem Sozialwesen an der Eigenlogik des Finanzsektors und der Generierung privater Profite mit sich, was zu Lasten ärmerer Bevölkerungsgruppen und auf Kosten des Ausbaus öffentlicher Systeme geht. Der starke Fokus auf die Mobilisierung privaten Kapitals zieht sich durch das gesamte Dokument "From Vision to Impact". Die lange Liste der bedrohlich klingenden geplanten Finanzinnovationen zeigt, dass hier für die Weltbank mittelfristig ein Schwerpunkt in der Umsetzung liegen wird.

Große Leerstellen

Ein gutes Beispiel dessen, wie wenig es bei der Umsetzung der Reform um konkrete Inhalte in der Veränderung der Herangehens- und Arbeitsweise der Weltbank geht, ist der Bereich der Klimafinanzierung und das, obwohl dies der Schwerpunkt war, auf den insbesondere die G7-Staaten bei der Reform abzielten.

Zum einen hätte ein erster wichtiger Schritt darin liegen müssen sicherzustellen, als Weltbankgruppe selbst keine weiteren Schäden anzurichten. Über die globale Kampagne The Big Shift Global wurde vielfach darauf aufmerksam gemacht, wie die Weltbankgruppe die Gewinnung fossiler Energie und Infrastruktur unterstützt und dass dies insbesondere über indirekte Finanzierungsinstrumente auch weiterhin geschieht. Beispiele hierfür sind die Handelsfinanzierung der IFC sowie ihre Investitionen in Finanzintermediäre, worauf zuletzt die NGOs Urgewald und Recourse hingewiesen haben.

Zum anderen mangelt es bei der Weltbank an Transparenz auch beim Thema Klimafinanzierung. Die Weltbank ist nach eigenen Angaben der größte multilaterale Finanzier im Bereich Klima. Zudem hat Ajay Banga auf der Weltklimakonferenz in Dubai im Dezember 2023 angekündigt, das eigene Ziel zu erhöhen: ab 2025 sollen 45 Prozent der gesamten Finanzierung zugunsten des Klimas gehen. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass sich die Erfüllung dieser Zielsetzung aktuell nicht unabhängig überprüfen lässt. Oxfam stellte 2022 fest, dass sich die Zahlen zur Weltbankklimafinanzierung anhand öffentlich zugänglicher Daten und Berichte nicht verifizieren lassen und um bis zu 40% abweichen könnten. Andere Berichte fanden, dass in mehreren Hundert Projekten nicht zu erkennen gewesen sei, was der genaue Beitrag zu Klimaschutz oder Klimaanpassung sein sollte und in vielen Fällen beim Klimaschutz Angaben fehlten zur geplanten Reduktion von Treibhausgasemissionen.

Jenseits dieser Punkte gibt es auch grundsätzliche Einwände zur erweiterten Zuständigkeit der Weltbank im Klimabereich. Zum einen geht diese mit einer breiteren Tendenz einher Klimafinanzierung zunehmend in Institutionen wie Weltbank und auch IWF zu verlagern, in denen jene Länder, die historisch am meisten zum Klimawandel beigetragen haben, über die größte Entscheidungsmacht verfügen. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass reiche Länder maßgeblichen Einfluss auf Bedingungen ausüben können, die an die Klimafinanzierung der Bank geknüpft sind und es zu einer neuen "grünen" Strukturanpassung und Konditionalität kommt. Die hitzige Debatte um die Ansiedlung des neuen Fonds für Klimaschäden und -verluste (Loss & Damage Fund ) bei der Weltbank offenbarte abermals das starke Misstrauen, dass Länder des Globalen Südens und Organisationen der Zivilgesellschaft gegenüber der Weltbank hegen, sowie den großen Widerstand der USA und anderer reicher Staaten dagegen neue Strukturen und Fonds innerhalb des UN-Systems zu etablieren. Zum anderen vergibt die Weltbank vor allem Darlehen. Darlehen bedeuten auch mehr Schulden. Mit Blick auf die in der Klimarahmenkonvention verankerten Prinzipien globaler Klimagerechtigkeit bräuchte es jedoch mehr Zuschüsse derjenigen Länder, die für den Klimawandel verantwortlich sind.

Diese grundsätzlichen Einwände verweisen auf zwei immense Leerstellen, die im offiziellen Reformprozess der Weltbank außen vor bleiben: die Zuspitzung der Schuldenkrise in vielen Ländern des Globalen Südens und die Frage nach der Demokratisierung der Entscheidungsstrukturen der Weltbank.

Viele Länder befinden sich bereits in einer akuten Schuldenkrise, in der der hohe Schuldendienst auf Kosten wichtiger Sozialausgaben für Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung sowie Investitionen in die Anpassung an den Klimawandel geht. Berichte haben zudem gezeigt, dass es in zahlreichen Ländern nicht möglich sein wird einen tragfähigen Schuldenstand herzustellen ohne die Beteiligung multilateraler Gläubiger an Schuldenerlassen. In 27 kritisch verschuldeten Ländern halten multilaterale Gläubiger über die Hälfte aller Schuldtitel. Die wichtige Frage, wie sich die Weltbank selbst, als Bank die Kredite vergibt, besser an Schuldenerlassen beteiligen kann gehört daher dringend auf ihre Reformagenda.

Die Forderung nach einer Demokratisierung der internationalen Finanzinstitutionen und besseren Mitsprache- und Stimmrechten von Ländern des Globalen Süden in Weltbank und IWF wird aktuell an vielen verschiedenen Stellen vorgebracht. Anfang dieses Jahrs beim 3. Südgipfel im Kampala, die Reform globaler Governancestrukturen ist einer der drei thematischen Schwerpunkte der diesjährigen brasilianischen G-20 Präsidentschaft und wird u.a. Thema auf dem UN-Zukunftsgipfel im September in New York sein. Die Frage nach der Reform ihrer Entscheidungsfindungsstrukturen bleibt beim offiziellen Reformprozess der Weltbank selbst jedoch außen vor - eine große vertane Chance. Die Weltbank fit für die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu machen, kann nicht gelingen durch ein Festhalten an neokolonialen Entscheidung- und Mitbestimmungsstrukturen, die sich in ihren Grundlagen seit der Gründung auf der Bretton Woods Konferenz im Jahr 1944 kaum verändert haben.