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Ilisu-Staudamm in der Türkei wieder aktuell

13.05.2005: Nachdem der Bau des Ilisu-Staudamms 2002 nach internationalen Protesten zu den Akten gelegt wurde, soll er jetzt doch von einem durch Siemens geführten Konsortium gebaut werden.

Ungefähr die Hälfte aller Flüsse weltweit werden heute durch mindestens einen großen Damm gestaut. 45 000 Großstaudämme mit mehr als 15 Metern Höhe sind in Betrieb. Ihre katastrophalen Auswirkungen sind mittlerweile bekannt. Die Weltkommission für Dämme (World Commission on Dams, WCD) bestätigt in ihrem 2000 präsentierten Abschlussbericht die schädlichen sozialen und ökologischen Folgen der gebauten Grosstaudämme. Es zeigt sich auch, dass die mit den Projekten angestrebten ökonomischen Ziele vielfach nicht erreicht wurden.

Das Südostanatolien-Projekt (GAP)

Prominentes Beispiel einer gefährlichen und verfehlten Staudammpolitik ist das bereits in den 70er Jahren von der türkischen Regierung in Angriff genommene Südostanatolien-Projekt, weithin bekannt unter seinem Acronym GAP (Güneydogu Anadolu Projesi). Durch 22 Staudämme, 19 Hydroelektrizitätswerke und zum Ausbau einer exportorientierten Agrarproduktion auf 1,7 Mio. Hektar Land soll das Wasser des Euphrat und Tigris in wirtschaftlichen und politischen Profit umgewandelt werden. Der türkische Staat baut mit dem Megaprojekt nicht nur seine Energie- und Wasserressourcen, sondern auch seine Präsenz im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten aus. Gleichzeitig ist das GAP ein wichtiges machtpolitisches Instrument gegenüber den arabischen Nachbarstaaten. In den 90er Jahren wurde das GAP auch um Vorhaben im sozialen Bereich erweitert. Doch weder die initiierte sozialpolitische Neuorientierung, noch der neuerdings verstärkte Bezug auf nachhaltige Entwicklungsziele kann die katastrophalen Auswirkungen des Projektes verdecken.

Soziale Folgen

Schätzungsweise werden insgesamt einige Hunderttausende Menschen von Umsiedlungen betroffen sein. Allein im Überflutungsgebiet des Atatürk-Stausees mussten insgesamt 100 000 Menschen aus 144 Ortschaften ihre Häuser verlassen. Die Menschen werden durch das GAP ihrer intakten Dorfstrukturen sowie sozialen und kulturellen Identität beraubt. Viele wurden nicht konsultiert und kompensiert. Vor allem die landlosen Bauern bekommen oft keine Entschädigung, da sie als Pächter und Landarbeiter kein Land und somit auch kein Recht darauf besitzen. Nur wenige Bewohner der Region sind als Besitzer neuer Plantagen in den bewässerten Gebieten zu dem versprochenen Wohlstand gekommen. Die Mehrheit der vertriebenen Menschen endet in den Slums der Großstädte oder in den unfruchtbaren Hochebenen, ohne Einkommensmöglichkeiten und in miserablen Unterkünften.

Ökologische Folgen

Erosionen, Schimmelkrankheiten bei den in Monokulturen angebauten Pflanzen, die Bodenversalzung, das durch Abwässer und Pestizide verschmutzte Wasser zeigen deutlich, dass ökologische Bedenken im Rahmen des GAP außer Acht gelassen wurden. Geplant ist je etwa 50 Prozent der 750 Kilometer Fliessstrecke des Euphrat und 325 Kilometer des Tigris in Standgewässer umzuwandeln. Von den sechs bereits schon gebauten Stau-dämmen bilden allein die Keban- , Karakaya-, Atatürkstauseen ein künstliches 500 Kilometer langes Meer. Eine Folge ist, dass die vom Flusssystem abhängigen Tier -und Pflanzenarten aussterben. In den Standgewässern entstehen außerdem ideale Nährstoffverhältnisse für Malariamücken und Bilharziose Überträger, die Ursache für das Auftreten von Tropenkrankheiten in dieser Region. Die bereits starke Dezimierung und Degradierung der Vegetation im Südosten wird durch den Bau der Stauseen und die Verstädterung vorangetrieben. Die fruchtbarsten Äcker am Flusslauf werden zugunsten der Entwicklung einer auf schnelles und kurzes Wachstum bauenden Agroindustrie überflutet.

Zerstörung von Kulturdenkmälern

Hunderte von verschiedenen bedeutsamen historischen Stätten fallen in das Einzugsgebiet des GAP. Diese Kulturgüter der Menschheit sind durch Überflutungen, Baumaßnahmen oder Bewässerungsarbeiten gefährdet oder bereits zerstört worden. Das gleiche Schicksal, wie so viele antike Stätten vor ihr, erwartet die seit über 10000 Jahren besiedelte und von Archäologen als "lebendes Museum" bezeichnete Stadt Hasankeyf . Diese Stadt am Tigris, deren historische und archäologische Bedeutung noch weitgehend unerforscht ist, soll im Ilisu-Stausee untergehen.

Zündstoff in Nahost

Für die südlichen Nachbarstaaten Syrien und Irak hat jegliche Verknappung und Verschmutzung der Wasserzufuhr weitreichende Konsequenzen. Die Türkei hat beide Länder im Planungsprozess nicht konsultiert. Nach internationalem Recht sind die detaillierte Vorab-Information und Konsultation flussabwärts gelegener Staaten aber grundlegende Prinzipien für Projekte an grenzüberschreitenden Flüssen. Begründend auf dem Prinzip der absoluten territorialen Souveränität betrachtet sich die Türkei jedoch als Eigentümer der Quellen und jede Art von Rücksichtnahme auf andere Länder werden als freiwillige Zugeständnisse betrachtet. Aufgrund des außenpolitischen Konfliktpotentials lehnte die Weltbank eine Beteiligung am GAP bereits 1984 ab.

Deutsche Beteiligung am Ilisu-Staudammprojekt

Trotz der desaströsen Auswirkungen der Staudämme wird am Bau eines neuen festgehalten. Der geplante Ilisustaudamm soll allen Superlativen der Entwicklungsmanie das Wasser reichen und am Tigris 65 Kilometer vor der Grenze zum Irak ein Gebiet von 313 km² überschwemmen und damit mindestens 52 Dörfer und 15 Kleinstädte in den Fluten begraben. Bereits vor drei Jahren wurde das Ilisu-Staudammprojekt zu den Akten gelegt. Die erzwungene Umsiedlung von bis zu 78.000 Menschen, sowie die Überflutung der antiken Stadt Hasankeyf, einer der ältesten bewohnten Orte der Erde, waren ungelöste Probleme. Wegen wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Bedenken hatten sich 2002 alle beteiligten Firmen und die jeweiligen Exportkreditagenturen aus dem Skandalprojekt zurückgezogen. Einzig der österreichische Konzern VA Tech hält bis heute daran fest. Siemens hat im Februar 2005 die Firma komplett übernommen: Neben der Abschreibung der Schulden des Unternehmens als Verlustvorträge, übernimmt Siemens damit auch den Bau des Ilisu-Staudamms. Mit der Übernahme der VA Tech Hydro wird Ilisu auch in Deutschland wieder zum Politikum werden. Schon vor drei Jahren war heftig darum gestritten worden, ob eine Hermesbürgschaft für das Projekt erteilt werden soll.

Neue Informationen gibt es wöchentlich auf der Mailingliste ilisu-info

Informationen über die erste Ilisu Kampagne finden Sie unter dem Stichwort Hermes

Zugehörige Dateien:
ilisu factsheet 01.pdfDownload (204 kb)