** RadioHongkong-Newsletter Nr. 8 **
17.12.2005: - der aktuelle Newsletter von EED & WEED zur 6. WTO-Ministerkonferenz in Hongkong
Inhalt
1. Unsere neuen Videoclips auf www.radiohongkong.de
- Zum Stillschweigen gezwungen: Yash Tandon ueber die Verhandlungsmethoden in der WTO und die Rolle von Entwicklungslaendern www.radiohongkong.de/clip.php?clipId=1263
- Nicht zum Schweigen zu bringen: Vor allem Bauern und Baeuerinnen demonstrieren vor dem Konferenzzentrum www.radiohongkong.de/clip.php?clipId=1263
2. Analysen und Kommentare
2.1 Frust nach der Euphorie: Zeichnen sich Einigungen ab?
(Christina Deckwirth, WEED)
2.2 "Kong Yee Sai Mau"- "Kong Yee Sai Mau" - BäuerInnen gegen die WTO
(Alexis Passadakis, WEED)
Be more than a spectator!
Euer RadioHongKong-Team:
Bärbel Schönafinger * Alexis Passadakis * Christina Deckwirth * Peter Fuchs * Michael Frein *
2. Analysen und Kommentare
2.1 Frust nach der Euphorie: Zeichnen sich Einigungen ab?
von Christina Deckwirth
Auf einmal sieht doch wieder alles anders aus. Waehrend gestern die Verhandlungen am seidenen Faden zu haengen schienen, broeckelten am 4. Verhandlungstag wichtige Gegner des gegenwaertigen Textes.
Dienstleistungen: Zustimmung und Widerstand
Der neue Entwurf fuer die Abschlusserklaerung enthaelt eine Abschwaechung der plurilateralen Verhandlungsmodalitaeten im Annex C, um deren Bedeutung man sich noch streitet. Doch die gestern noch so stark auftretenden Entwicklungslaenderkoalitionen scheinen ihren Widerstand in vielen Teilen aufgegeben zu haben - und aeussern sich zum Teil sogar positiv ueber den vorliegenden Text. Suedafrika z.B., dass sich gestern noch sehr kritisch ueber den Verhandlungsverlauf erklaert hatte und das Our World is not for Sale Netzwerk zu einem gemeinsamen Treffen eingeladen hatte, ist mittlerweile umgekippt. Heute nachmittag wurde mit grosser Spannung eine Pressekonferenz der indonesischen Delegation erwartet, die den GATS-Anhang ablehnte. Diese Pressekonferenz wurde kurzfristig abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben. Die momentane Position Indonesiens ist unklar. Das gilt nicht fuer Kuba, die LDCs und Venezuela, die noch immer grosse Kritik am bisherigen Text aeussern. Hier muss sich in dieser Nacht also noch einiges tun. Die Nacht hier im Konferenzzentrum wird fuer dieDelegierten also wieder lang werden.
Agrar: Deutschland als Blockierer
Auch im Verhandlungsbereich Agrar gibt es Bewegung. Der Hauptstreitpunkt sind die Exportsubventionen der EU. Der aktuelle Entwurf enthaelt das Enddatum 2010, laesst es aber in Klammern stehen. Die G20 draengte heute in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Cairns-Gruppe, also der Gruppe der agrarexportierenden Laender wie z.B. Australien und Argentinien, auf ein Enddatum. Waehrend die Europaeische Kommission dem durchaus vorsichtig zustimmen koennten, blockieren die Mitgliedslaender. Vor allem Deutschland hat in den letzten Wochen einen Schwenk in der Agrarhandelspolitik vollzogen und draengt nun in Vorreiterrolle darauf, kein Enddatum in die Abschlusserklaerung zu integrieren. Die Bundesregierung wird dabei durch 20 andere Laender unterstuetzt. Lediglich die Niederlande fuehrt eine Gruppe von 4 Laendern, die sich fuer Auslaufen der Exportsubventionen einsetzt.
Ein schwacher Deal oder doch noch ein Verhandlungsabbruch?
Es zeichnet sich langsam ab, dass es morgen zu einem Deal kommen koennte, der in einigen Dingen kleine Zugestaendnisse enhalten koennte, wie z.B. bei den Exportsubventionen oder beim zoll- und quotenfreien Marktzugang (Kritik dazu Newsletter 7). Auch bezueglich der Baumwollsubventionen koennte die USA moeglicherweise noch einlenken. Im weitaus groessten Teil wuerde der Text allerdings entweder die hoch umstrittene Marktoeffnungs-Agenda vor allem der EU und USA festschreiben - wie das noch immer vorhandene Mandat fuer den Beginn plurilateraler Verhanldungen im zeigt. Und eben diese beiden Punkte koennten fuer einige Laender wie Venezuela, Kuba oder die LDCs ein Grund sein, den gegenwaertigen Text doch noch abzulehnen. Dann koennte sich die Forderung "No deal is better than a bad deal” noch erfuellen. Dennoch - nach der Euphorie gestern, herrschte zumindest im NGO-Zentrum Frust ueber den Verlauf der Verhandlungen am 5. Tag der Ministerkonferenz.
2.2 "Kong Yee Sai Mau"- "Kong Yee Sai Mau" - BäuerInnen gegen die WTO
von Alexis Passadakis
Mit der hier ueblich ueppigen Verspaetung von zwei Stunden startete die heutige Demonstration (17.12.) vom Victoria Park mit dem Ziel Hong Kong Convention & Exhibition Centre, dem Ort der 6. WTO Ministerkonferenz. Vor allem BaeuerInnen des internationalen Netzwerks Via Campesina - von diesem zum Großteil Gruppen aus asiatischen Laendern, zusaetzlich einer kleinen "Delegation” aus Frankreich - und die koreanischen BaeuerInnen machten sich auf den Weg. Die KoreanerInnen mit Gongs und Trommeln, die Via Campesina-Gruppen mit vielen bunten Fahnen, ihren grünen Base-Caps und Gesängen und Slogans: Down, down WTO! - Kong Yee Sai Mau! Mit hohem Tempo und grosser Entschlossenheit zog der Demo-Zug durch die Strassen - inklusive "stop and go”-Aktionen.
Nach einiger Zeit kam das Konferenzzentrum in Sicht. Sofort begannen Polizeieinheiten neue Riegel zu bilden - was die KoreanerInnen aber kaum hinderte, der Demonstration weiter den Weg zu bahnen. Erstaunlich, dass es möglich war bis dorthin vorzudringen. Sehr auffallend war mit welcher Ruhe und Unaufgeregtheit, Besonnenheit und Ruhe diese Gruppen ihre Aktionen durchführen. Es wird aufgepasst, dass die weniger konfrontativen Demonstranten nicht gefährdet sind; es gibt kein Gerenne und Geschreie. Trotz der Konfrontation wirken die AktivistInnen nicht aggressiv. Zum Beispiel wird die Polizei nicht beschimpft, sondern wohl eher - aber nur ungenau - als ein "sportliches" Verhältnis gepflegt.
Die Demonstration drang bis auf 30 Meter an das Konferenzgebäude heran. Und genau das war auch das Ziel: an oder besser in das Gebäude zu gelangen, um die Verhandlungen zu stoppen. In dieses kam man für etwa 2 Stunden nicht mehr hinein und zeitweise auch nicht mehr hinaus. Bedauerlich, dass dies nur heute für kurze Zeit so war!
Als die Demo an dem festungsartigen Konferenzgebäude ankam, standen bereits die NGO-Aktivisten vom OWINFS (Our World Is Not For Sale)-Netzwerk mit einem großen Banner bereit, um diejenigen zu empfangen, die keinen Zutritt zu dem Gebäude der Konferenz haben. Diese Verbindung sollte die von OWINFS so wichtig genommene "inside-outside"-Strategy des Netzwerks bekräftigen. Denn: Protest-Aktionen im Inneren des Gebäudes sind nur wirksam, wenn diese sich auf eine soziale Basis stützen können. Ob in den Straßen Hongkongs, oder in den einzelnen Mitgliedsländern der WTO.
Am Konferenzgebäude angekommen, bauten die Koreaner aus Absperrgittern in aller Seelenruhe ein rammbockartiges Konstrukt, um die mit großen Schilden bewaffnete Polizei aus dem Weg zu schieben. Diese reagiert mit Knüppel, literweise pfeffersprayartiger Substanz und sehr starkem Tränengas. Dieses trieb die DemonstrantInnen sehr schnell auseinander. Damit war der Protest beendet.
Unterdessen laufen die Gespräche in den Verhandlungszimmern weiter. Einige Delegierte mussten zwar Verspätungen in Kauf nehmen, aber während die einen ihre Verletzten pflegen, basteln andere an Regeln, die weiteres BäuerInnen-Sterben weltweit bedeuten.
Technische Hinweise:
- Weitere Clips aus der Vorbereitungsphase für Hong Kong, ein Video-Glossar zu wichtigen Begriffen und auch einige Stimmen von Unternehmen und Ministeriumsvertretern findet Ihr/finden Sie unter: www.radiohongkong.de
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