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WEED-News Nr. 3 aus Cancun

11.09.2003: - Nr. 3 - Der zweite Verhandlungstag

  
 

Wissen Sie, was 'expliziter Konsens' heisst?

WEED-News zur 5. WTO-Ministerkonferenz in Cancún

Inhalt:

  1. Der Konflikt um die "New Issues" kocht langsam hoch... - Gibt es doch
  2. noch Hoffnung auf ein Scheitern der ,New Issues'? Bericht von Peter Fuchs
  3. GATS oder wie ein Investitionsabkommen "geleakt" wurde. Bericht von Nicola Sekler

1. Der Konflikt um die "New Issues" kocht langsam hoch...

Gibt es doch noch Hoffnung auf ein Scheitern der "New Issues"?

von Peter Fuchs.

Nachdem der erste Verhandlungstag in Cancún vom Agrarthema dominiert war, haben heute auf einer aufsehenerregenden Pressekonferenz im Kongresszentrum von Cancún ca. 70 Entwicklungsländer dem EU-Anliegen eines Verhandlungsbeginns zu den so genannten "Singapur-Themen" eine deutliche Absage erteilt. Somit liegt jetzt auch in diesem zweiten "heissen" Themenbereich von Cancún der Nord-Sued-Konflikt sehr deutlich auf dem Tisch.

Die Handelsministerin von Malaysia, Frau Rafidah Aziz, trat zusammen mit einigen weiteren Ministern aus Entwicklungsländern vor einen uebervollen Raum im Konferenzzentrum von Cancún und stellte in sehr entschlossenen Worten eine Erklaerung der folgenden WTO-Mitglieder vor: Bangladesh (im Namen der LDCs), Botswana, China, Kuba, Aegypten, Indien, Indonesien, Jamaika (im Namen der Caribbean Community), Kenia, Malaysia, Nigeria, Philippinen, Tansania, Venezuela, Sambia und Simbabwe. In der kurzen gemeinsamen Erklaerung dieser Laender wird mitgeteilt, dass sie sich am 10.9.03 zur Diskussion der vier Singapur-Themen getroffen haetten. Dabei haetten sie ihre Sorge vor den Folgen multilateraler Regeln zu den ,New Issues' fuer ihre inlaendische Politik ausgedrueckt und festgestellt, dass sie die Implikationen neuer WTO-Regeln zu den Themen Investitionen, Wettbewerb, oeffentliches Beschaffungswesen und Handelserleichterung noch nicht umfassend analysiert und voellig verstanden haben. Ferner heisst es: "Viele Entwicklungslaender haben nicht die Kapazitaet, die Verpflichtungen, die aus solchen neuen multilateralen Regeln erwachsen, umzusetzen. Ferner gibt es Zweifel an den Vorteilen von WTO-Regelwerken zu den ,New Issues'. Somit gibt es keinen expliziten Konsens ueber den Beginn von Verhandlungen ueber Modalitaeten." Fuer die Abschlusserklaerung schlaegt die Gruppe der Entwicklungslaender daher eine Formulierung vor, die eine Fortsetzung des Klaerungs- und Diskussionsprozesses in der WTO vorsieht - aber eben nicht (!) die Aufnahme von Verhandlungen.

Weitaus deutlicher als der schriftlich verteilte Text betonte Frau Aziz in ihrer Erlaeuterung der Entwicklungsländerposition, dass die Mitglieder der o.g. Gruppe auch nicht bereit sind, die ,New Issues' im Kontext von Trade-offs mit anderen Themenfeldern (z.B. Agrar) zu behandeln. Vielmehr haetten die EL jedes der vorgeschlagenen neuen Abkommen anhand der je eigenen Vor- und Nachteile betrachtet und sind zum Fazit gekommen, dass in Cancún nicht der Ort und die Zeit ist, um die von einigen Industrielaendern geforderten Verhandlungen in der WTO zu beginnen!

Im Anschluss an diesen erfrischend deutlichen Auftritt der Entwicklungsländer fanden heute natuerlich auch Treffen von NGOs, die zu den New Issues arbeiten, statt. In einem jetzt regelmaessig speziell zu diesem Thema eingerichteten Treffen versuchen sich europäische Gruppen zu koordinieren und ihre Informationen zum Verhandlungsverlauf bei den New Issues auszutauschen. In Berichten aus Italien, Irland, England, den Niederlanden, Japan, der Schweiz und anderen Ländern wurde u.a. deutlich, dass es auch innerhalb der Befürworter der New Issues eine Verunsicherung angesichts der starken Gegenposition gibt. In einigen Ländern deuten sich leichte Positionsverschiebungen an, z.B. in Richtung einer Öffnung des ,4er Pakets' der New Issues (,unbundling'), zum Teil sogar im Sinne eines Verzichts auf einen Verhandlungsstart zum jetzigen Zeitpunkt. Aber: In Deutschland ist dies nicht so. Das BMWA wird nicht müde, seine vorbehaltlose Unterstützung für den harten Kurs von EU-Handelskommissar Pascal Lamy in dieser Sache zu erklären. Der Erfahrungsaustausch mit europäischen Partnerorganisationen macht sehr deutlich, dass somit die deutsche Regierung die Rolle der Hardliner im EU-internen Abstimmungsprozess einnimmt. Grund genug fuer WEED und andere deutsche NGOs, den deutschen Regierungskurs in Cancún laut und deutlich zu kritisieren.


2. GATS oder wie ein Investitionsabkommen "geleakt" wurde

von Nicola Sekler.

Die Schlüsselentscheidung in Cancún - und das bestätigt sich auch nach den ersten zwei Verhandlungstagen - ist, ob die offiziellen Verhandlungen zu den Singapurthemen aufgenommen werden. Die kontroverseste Ausgangssituation herrscht bei der Diskussion um ein Investitionsabkommen innerhalb der WTO. Mittlerweile 70 Länder sprechen sich nach wie vor gegen den Beginn der Verhandlungen aus. Nun ist es aber nicht so, dass Investitionen weltweit nicht geregelt wären. Auf unterschiedlichen Ebenen - bilateral, regional, multilateral - existieren Verträge, die Regelungen zu Investitionen enthalten. Das GATS, das eigentlich den Handel mit Dienstleistungen regelt, wurde zunächst hauptsächlich deshalb als "gefährlich" eingestuft, weil es die Basisversorgung den Marktgesetzen und dem Wettbewerb aussetzt. Als im Februar 2003 die requests der EU auftauchten, also die Forderungen, die die EU an andere Länder gestellt hat, wurde deutlich: hier geht es um Marktzugang, um konkreten Abbau von Auflagen, die ausländischen Investoren das Leben schwer machen. Zwei Beispiele: Mexiko soll Beschränkungen bzgl. Landeigentum von ausländischen Investoren abbauen; die Philippinen werden aufgefordert, ihre Auflage, dass 60% des Gesamtkapitals eines Unternehmens einheimisches Kapital sein muss, fallen zu lassen. Das hat zur Folge, dass der Kontrollverlust für die im GATS geöffnete Sektoren sehr hoch ist, was in Entwicklungsländern schwerwiegende Folgen hat. Um den Nutzen für eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung zu maximieren, sind eben diese Auflagen sehr wichtig.

Was haben Dienstleistungen mit Investitionen zu tun? Im GATS werden unterschiedliche Arten der Erbringung von Dienstleistungen festgelegt, eine davon ist die Niederlassung ausländischer Unternehmen. Dies ist nichts anderes als eine ausländische Direktinvestition. Ein Großteil der ausländischen Direktinvestitionen findet im Bereich Dienstleistungen statt, für die also de facto schon ein Abkommen besteht. Selbst Pascal Lamy, EU-Handelsminister, macht keinen Hehl daraus und hat bei einem Treffen mit NGOs direkt gesagt: GATS ist ein Investitionsabkommen.

Was bedeutet dies für den Kampf gegen das drohende Investitionsabkommen? Wenn in Cancún der Startschuss für die Verhandlungen zu einem Investitionsabkommen in der WTO verhindert werden kann, dann ist dies kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Das GATS existiert bereits, erste Angebote und Forderungen sind schon ausgetauscht und weitere werden folgen. Der Druck wird auf alle Fälle zunehmen und die wirtschaftsstarken Länder werden alles unternehmen, den Spielraum des GATS auszunutzen und ihren Transnationalen Konzernen möglichst viele Märkte zu öffnen.


Weed-News ist der Email-Newsletter von WEED. Während der 5. WTO-Ministerkonferenz in Cancún/Mexiko berichten wir ausnahmsweise einmal täglich von ,vor Ort' mit einer kleinen Zusammenstellung von Informationen, Analysen und Erfahrungsberichten.

Redaktion: Peter Fuchs, Nicola Sekler, Pia Eberhardt & Christina Deckwirth

Lob, Kritik und Reaktionen für diese Ausgabe senden Sie bitte an nicola.sekler@weed-online.org


Weitere Bilder

     
 

Pressekonferenz der New Issues-Gegner in Cancun, 11.9.03