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Zweifelhafte Absichtserklärungen:

26.04.2005: Die aktuelle Entschuldungsdebatte auf weltpolitischer Bühne

Seit dem letzten Jahr ist die internationale Entschuldungsdebatte durch einige neue Vorschläge wichtiger G7 Regierungen in Schwung gekommen. Vor allem die britische Regierung nutzte zu Beginn ihrer G8 Präsidentschaft die Gunst der Stunde, um ihr zweifelhaftes Image als US-Gehilfin im Irak-Krieg durch entwicklungspolitisches Renommee aufzubessern. Zur letzten IWF-Weltbankjahrestagung im September 2004 konnte sie sich durch einen neuen Vorstoß in Sachen Schuldenerlass für arme Länder in der internationalen Debatte positionieren. Doch auch die US-Regierung zog nach und brachte einen eigenen Vorschlag ein.

Halbherzige Reparaturvorschläge statt Problemlösung

Grund zum Feiern gibt es jedoch nicht. Die auf dem Tisch liegenden Vorschläge gehen zwar in die richtige Richtung, sind jedoch kein Zeichen eines dringend nötigen Kurswechsels der G7 Staaten in Sachen internationalem Schuldenmanagement. Vielmehr sind sie Ausdruck dafür, dass die seit Ende der 1990er Jahre bestehenden internationalen Mechanismen zur Entschuldung armer Länder trotz vieler Nachbesserungen gescheitert sind. Im Rahmen der HIPC Initiative ist es nicht zuletzt aufgrund der schöngefärbten IWF- und Weltbank Analysen über die wirtschaftliche Entwicklung in den Schuldnerländern nicht gelungen, einen substantiellen Schuldenerlass zu gewähren. So stehen selbst diejenigen 27 Länder, die unter HIPC Teilschuldenerlasse erhalten haben, vor den selben Problemen wie vorher. Dass die anhaltend erdrückende Schuldenlast vieler Entwicklungsländer weitereichende Investitionen in öffentliche Sozial- und Gesundheitssysteme unmöglich macht und deswegen dringender Handlungsbedarf besteht, wurde schließlich auch im Rahmen der Diskussion um die Erreichung der Millennium Development Goals (MDGs) aufgegriffen. Neben der Erhöhung der offiziellen Entwicklungshilfe und neuer innovativer Finanzierungsinstrumente (wie bspw. internationale Steuern) gilt ein Schuldenerlass als zentraler Beitrag zur Armutsreduktion in den Entwicklungsländern.

So können nun auch wichtige G7 Länder nicht mehr unter den Tisch kehren, dass zusätzliche Schuldenerleichterungen dringend nötig sind. Die beiden vorliegenden Vorschläge der britischen und der US-Regierung bleiben jedoch hinsichtlich der Ausgestaltung und Reichweite weit hinter dem politisch Notwendigen zurück.

Der sog. "Brown Vorschlag" der britischen Regierung bezieht sich zunächst einmal nur auf einen ausgewählten Kreis von 20 Ländern (der gegebenenfalls auf bis zu 65 Länder ausgeweitet werden könnte). Für die Schulden, die diese Ländergruppe beim IWF hat, sieht die britische Regierung einen Schuldenerlass vor, der durch die Neubewertung oder den Verkauf eines Teils der völlig unterbewerteten IWF-Goldbestände mit bis zu 35 Mrd. US$ finanziert werden soll. Bezüglich der Schulden bei der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank sollen jedoch lediglich die Schuldendienstzahlungen zu 100% für einen Zeitraum von 10 Jahren (2001-2015) von bilateralen Gläubigern übernommen werden. Die britische Regierung erklärte sich bereit, gemäß ihres Anteils an diesen Institutionen 10% der Schuldendienstzahlungen der Länder zu übernehmen. Ein Problem bleibt dabei, dass die Länder damit lediglich ca. 20% ihres Schuldenstocks tilgen können. Wie der Rest des Schuldenstocks getilgt werden soll und was angesichts der 30 - 40 Jahre reichenden Laufzeiten der Kredite nach 2015 passieren soll, bleibt völlig offen.

Die US-amerikanische Regierung spricht sich gegen die Übernahme von Schuldendienstzahlungen aus und schlägt demgegenüber für alle 42 HIPC-Länder einen 100%iger Schuldenerlass bei Weltbank und Afrikanischer Entwicklungsbank vor. Der Trick ist jedoch, dass diese Schuldenerlasse mit den offiziellen Entwicklungshilfezahlungen (ODA) an die Länder verrechnet werden sollen. Damit will die US-Regierung garantieren, dass die Netto-Finanzflüsse auch nach einem Schuldenerlass konstant bleiben und zusätzliche Mittel nur dann an Länder fließen, wenn diese vorher die Auflagenpolitik von IWF und Weltbank hinsichtlich ‚guter Regierungsführung’ zur Verbesserung des Investitionsklimas - inklusive Vorgaben von Privatisierung und Liberalisierung - umgesetzt haben. Ein durch die Übernahme der Schuldendienstzahlungen bedingter erhöhter Nettoressourcenfluss an die Länder sieht die US-Regierung dabei vielmehr als "falsche Belohnung" für hochverschuldete Länder an.

Die derzeitige Debatte auf internationaler Ebene steckt bislang in Konfliktlinien fest, die durch die Differenzen der beiden Regierungsvorschläge markiert sind. Über die Frage, welche Schulden mit welcher Finanzierung erlassen werden sollen besteht auch nach der kürzlich stattgefundenen IWF-Weltbank Frühjahrtagung keine Einigung. So nutzt auch die bereits im Februar abgegebene Erklärung der G7 Finanzminister wenig, man wolle den armen Ländern bis zu 100% der multilateralen Schulden erlassen und zwar nach einer eingehenden, für jedes einzelne HIPC-Land durchgeführten Einzelfallprüfung. Dass hier wieder IWF und Weltbank und nicht eine unabhängige Schiedsstelle über die Notwendigkeit eines Schuldenerlass entscheiden soll, ist ein sicheres Indiz dafür, dass wo "100%" draufsteht nicht "100%" drinnen sein werden. Trotz aller Unstimmigkeiten zeigt sich vor allem in einer Hinsicht Einmütigkeit: trotz hochtrabender entwicklungspolitsicher Schönwetterreden sind die Industrieländer nach wie vor nicht bereit, die erforderlichen Mittel für einen weitreichenden und effektiven Schuldenerlass zu bereitzustellen.

Schuldenerleichterung als Mogelpackung

Die für die Entschuldungsdiskussion paradigmatische Aneinanderreihung zweifelhafter Absichtserklärungen und falscher Versprechungen wird besonders eindrucksvoll durch die Reaktion des Pariser Clubs der Gläubigernationen auf die Tsunami-Katastrophe in Südostasien belegt. Wir erinnern uns: mit wohlfeilen Worten wurde Anteilnahme am Schicksal der betroffenen und teilweise hochverschuldeten Länder bekundet und Großzügigkeit suggeriert. Viele NGO aus aller Welt forderten die Gläubigerregierungen zu umfassenden Schuldenerlassen auf, um den Aufbau der betroffenen Gebiete nicht langfristig durch die untragbar hohen Tilgungen und Zinszahlungen zu beeinträchtigen. Die Bedürfnisse der Bevölkerung sollten Vorrang vor den Interessen der Gläubiger haben. Doch die Beschlüsse der für den 12. Januar 2005 einberufenen Sitzung des Pariser Clubs waren mehr als enttäuschend. Ein Schuldenerlass stand gar nicht erst zur Debatte. Beschlossen wurde statt dessen ein einjähriges Schuldenmoratorium, das voraussichtlich Indonesien, Sri Lanka und den Seychellen zugute kommen sollte - allerdings erst nach entsprechender Anfrage der Länder und gemessen an ihrer noch zu prüfenden "spezifischen Situation". Am 10. März wurde dann deutlich, was vom großzügigen Angebot eines Schuldenmoratoriums zu halten war. Denn als Bedingung definierte der Pariser Club, dass die ausgesetzten Zahlungen innerhalb von fünf Jahren zurückzubezahlen seien. Darüber hinaus sei auf den Zahlungsverzug Zinsen zu entrichten. Das ganze "Hilfs-Paket" läuft also statt der proklamierten Unterstützung für die Länder auf eine zusätzliche finanzielle Belastungen hinaus. Während Sri Lanka die Entscheidung des Pariser Clubs trotz dieser Dreistigkeit dennoch begrüßte, bleibt die indonesische Regierung nach wie vor skeptisch. Nach anfänglichen Bedenken hatte Indonesien das Schuldenmoratorium vom Januar zwar angenommen, aber verlangt, dass keine zusätzlichen Kosten auf den Zahlungsverzug verlangt werden sollten. Asiatische NGO reagierten verärgert auf die Scheinheiligkeit des Pariser Clubs und forderten die Regierungen der betroffenen Länder auf, das zweifelhafte Angebot keinesfalls anzunehmen.

Strukturelle Veränderungen nötig

Das zentrale Ursache der ungelösten Schuldenkrise liegt nach wie vor darin, dass die internationalen Regeln des Schuldenmanagements von den Interessen der Gläubiger bestimmt werden. Solange also das Machtungleichgewicht zwischen Gläubiger- und Schuldnernationen fortbesteht, werden die Höhe und die Bedingungen eines Schuldenerlasses davon abhängen, wie effektiv die jeweiligen Gläubigernationen damit ihre eigenen Interessen durchzusetzen glauben. In seltenen Fällen kann dies auch dazu führen, dass es in Sachen Schuldenerlass ganz schnell geht, wie die Entscheidung des Pariser Clubs vom November 2004 zur Entschuldung des Irak zeigt. Auf Drängen der US-Regierung, die auch andere Regierungen an der Finanzierung des Wiederaufbaus des kriegszerstörten Iraks beteiligt sehen wollte, wurde dem hochverschuldeten Land ein Schuldenerlass von bis zu 80% seiner Schulden gewährt.

Die Hochkonjunktur des Schuldenthemas auf Ebene der G7-Regierungen und der Internationalen Organisationen darf also nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Lösung der Schuldenkrise in weiter Ferne steht. Die Gläubigerregierungen sind nicht bereit, ihre Kontrolle über die Schuldnerländer aufzugeben. Weiterhin enthalten die Vorschläge für Schuldenerlasse die üblichen neoliberal geprägten Strukturanpassungsauflagen von IWF und Weltbank, erwiesenermaßen oft eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Für einen Ausstieg aus der Schuldenkrise ist ein weitreichender Schuldenerlass für die meisten Schwellen- und Entwicklungsländer eine notwendige Voraussetzung. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass dieser nur Teil eines weiteren Pakets sein kann. Mit der Einführung eines fairen und transparenten internationalen Schiedsverfahrens muss eine grundlegende Veränderung des internationalen Schuldenmanagements herbeigeführt werden. Doch auch die schuldenerzeugenden Exportkreditagenturen sowie die globalen Wirtschafts- und Währungsbeziehungen müssen auf den Prüfstein, um einen Neuanfang der Schuldenspirale zu verhindern.

Daniela Setton WEED, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung

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