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Dauerhaft raus aus der Schuldenfalle - aber wie?

30.01.2006: Gibt es einen Weg für Entwicklungsländer, der dauerhaft aus der Schuldenfalle führt?

von Daniela Setton

(erschienen im Handbuch zur Schuldentragfähigkeit von Erlassjahr, Januar 2006) www.erlassjahr.de/content/mitmachen/arbeitshilfen_handbuch_tf.php

Leider haben viele hoch verschuldete Länder auch kurz nach einem Schuldenerlass wieder ähnlich gravierende Schuldenprobleme wie zuvor. Dies liegt oft daran, dass der gewährte Schuldenerlass aufgrund der Dominanz der Gläubigerinteressen im internationalen Schuldenmanagement nicht ausreichend war. Doch selbst wenn ein Land unter einem gerechten und fairen Verfahren einen ausreichenden Schuldenerlass erhalten würde, wäre damit zunächst einmal nur ein erster - wenn auch zentraler - Schritt in Richtung aus der Schuldenfalle getan. So würde der Zwang zur Erwirtschaftung von Devisen für den externen Schuldendienst entfallen. Die freiwerdenden Mittel stünden dann für nötige Investitionen in die soziale und ökonomische Entwicklung zur Verfügung. Dennoch wäre ein ökonomischer Neustart, als Teil einer Politik der nachhaltigen Entwicklung, nicht ohne weitere Voraussetzungen möglich. Bevor diese Bedingungen jedoch erläutert werden, bedarf es eines Überblicks über die zentralen Problemfelder von Entwicklungsländern bei der derzeitigen Einbindung in die Weltwirtschaft.

Alle verschuldeten Entwicklungs- und Schwellenländer haben jahre- bis jahrzehntelange Strukturanpassungsmaßnahmen von IWF und Weltbank hinter sich. Über den Hebel der Kreditkonditionalitäten (bestimmte Politiken, die die Länder durchführen müssen, um einen Kredit von IWF oder Weltbank zu erhalten) mussten die verschuldeten Länder bereits seit den 1980er Jahren ihren Handel und ihre Finanzsysteme liberalisieren und ihre Ökonomien auf den Export ausrichten. Die Öffnung der Märkte für den internationalen Wettbewerb erfolgte bevor die nationale Wirtschaft wettbewerbsfähige Güter auf den Weltmärkten anbieten konnte. Dies Dies hatte dramatische soziale und ökonomische Konsequenzen für die jeweiligen Entwicklungsländer.

Erzwungene und verfrühte weltwirtschaftliche Öffnung

Durch die oft billigere Konkurrenz aus dem Ausland wurden lokale Produktionsstrukturen zerstört, die für die ökonomische Binnendynamik zentral sind. Billige Importgüter verringern zudem Investitionen in inländische Produktionskapazitäten. Viele Länder haben aufgrund dieser verfrühten und erzwungenen Handelsliberalisierung im Zuge von Verschuldung eine hoch problematische und instabile Einbindung in die Weltwirtschaft. Die vorschnelle Handelsliberalisierung hat die Importe in vielen Entwicklungsländern wesentlich schneller ansteigen lassen, als dies für die Exporte der Fall war. Entwicklungsländer haben in der Regel nur sehr wenige exportfähige Produkte auf dem Weltmarkt anzubieten und sind nur sehr bedingt wettbewerbsfähig. Wenn aber die Importe die Exporte übersteigen, müssen die entstandenen Handelsbilanzdefizite in der Regel durch Kredite finanziert werden, da nicht in ausreichendem Maße Devisen zu ihrer Bezahlung durch den Export erwirtschaftet werden können. Um dann jedoch nicht wieder in eine verhängnisvolle Schuldenspirale zu stürzen, müssten die Länder zur Bedienung ihrer Schulden den Export so ankurbeln, dass über die Finanzierung der Importe hinaus noch ausreichend Devisen zur Bedienung der Auslandsverbindlichkeiten zur Verfügung stehen - ein schwieriges Unterfangen. Denn neben der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit haben die meisten Entwicklungsländer auch schlechte "terms of trade", das heißt die Ausfuhrpreise für die Hauptexportgüter - vornehmlich im Rohstoffbereich - sind auf den internationalen Märkten niedriger als die Preise für die Importgüter. Gerade bei den Rohstoffen unterliegt der Weltmarktpreis seit Jahrzehnten einem Abwärtstrend. Da viele Entwicklungsländer von einigen wenigen Gütern für den Export abhängen, sind sie besonders anfällig für Preisschwankungen. Einnahmerückgänge im Export werden oft mit einer steigenden Kreditaufnahme wettgemacht und verschärfen die Schuldensituation. Auch die für Entwicklungsländer ungünstigen internationalen Währungsbeziehungen haben negative Auswirkungen auf ihre Handelsbeziehungen. Die flexibel schwankenden Wechselkurse zwischen den drei Hauptwährungen (Euro, US-Dollar, Yen) verursachen eine erhöhte außenwirtschaftliche Instabilität. Entwicklungsländer, die ihre Währungen an die drei Hauptwährungen gekoppelt haben, verfolgen deren Wechselkursschwankungen mit. Im Zuge der massiven Aufwertung des Euro haben einige afrikanische Länder zum Beispiel aufgrund der Verteuerung ihrer Ausfuhren Einbußen im Export hinnehmen müssen.

Fatale Abhängigkeit von externer Finanzierung

Darüber hinaus ist die Abhängigkeit von externer Finanzierung ein zusätzlicher Faktor außenwirtschaftlicher Instabilität. Selbst Länder wie die asiatischen "Tigerstaaten" oder Argentinien, die vor der Asienkrise von IWF und Weltbank noch als Erfolgsmodell gefeiert wurden, haben dies durch die massiven Finanzkrisen der letzten Jahre am eigenen Leib erfahren müssen. Das Problem bei privaten Kapitalströmen ist, dass sie aufgrund der liberalisierten Strukturen der Finanzmärkte meist nur kurzfristig in Entwicklungsländer strömen und in Krisenzeiten schnell abgezogen werden können. Zudem ist die Beschaffung von privatem Kapital äußerst teuer. Im Gegensatz zu Industrieländern - die das "Vertrauen" der internationalen Finanzmarktakteure genießen - müssen sie höhere Zinsen bzw. "Risikoaufschläge" zahlen, um sich verschulden zu können. Nur die sogenannten Schwellenländer erhalten überhaupt Zugang zu den Finanzmärkten. Durch die Wechselkursabwertungen im Zuge einer Finanzkrise schnellt die Verschuldung schnell in die Höhe. Dadurch können Entwicklungsanstrengungen von Dekaden quasi über Nacht zunichte gemacht werden. Um ihre wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, müssten die Entwicklungsländer viele ihrer nicht-wettbewerbsfähigen Sektoren vor dem internationalen Wettbewerb schützen. Dazu müsste die Einbindung in die Weltwirtschaft stufenweise und entlang der jeweiligen spezifischen Bedingungen vorgenommen werden. Historisch gesehen haben die Industrieländer ihre Märkte erst dann selektiv geöffnet, als einzelne ihrer Industrien stark genug waren, um dem internationalen Wettbewerb standzuhalten. Bis dahin wurden alle verfügbaren Schutzinstrumente eingesetzt, um in der Binnenökonomie ein stabiles Wachstum zu erlangen. Diese Möglichkeit wird den Entwicklungsländer heute nicht mehr gewährt.

IWF und Weltbank üben nach wie vor über die an Kredite gekoppelte Konditionalität Druck auf die Länder aus, damit sie ihre Märkte weiter öffnen und Schutzmechanismen abbauen. Durch die verordnete Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung werden zudem wichtige staatliche Interventionsmöglichkeiten eingeschränkt. Oft bleibt den Ländern keine Möglichkeit, eine Regulierung des Kapitalverkehrs vorzunehmen und in Krisenzeiten zum Beispiel Kapital im Land zu halten. Auch die WTO verpflichtet ihre Mitglieder zum weit reichenden Abbau von Schutzinstrumenten. Jegliche Sonder- und Vorzugsbehandlung für Entwicklungsländer ist in den letzten Dekaden sukzessive abgebaut worden. Die ursprüngliche "Entwicklungsagenda" innerhalb der WTO ist inzwischen zu einer "Anpassungsagenda" geworden: Die Entwicklungsländer sollen sich an die von Industrieländern bestimmten Regeln möglichst optimal anpassen.

Notwendige Reform des internationalen Handels- und Finanzsystems

Vor dem Hintergrund der prekären und instabilen weltwirtschaftlichen Einbindung vieler Entwicklungsländer wird es, trotz Entschuldung, schwer möglich sein, ein tragfähiges Schuldenniveau auch nur mittelfristig zu halten. Die betroffenen Länder werden auch nach einem Schuldenerlass wieder Leistungsdefizite und eine hohe Außenverschuldung haben. Dann bleibt die Neuaufnahme von Krediten - sei es durch öffentliche oder private Akteure - oft die einzige Möglichkeit, um die internationalen Verbindlichkeiten zu bedienen. Über die Etablierung eines fairen und gerechten internationalen Schuldenmanagements hinaus führt also kein Weg an der tief greifenden Reform des internationalen Finanz- und Handelssystems vorbei, das von den Interessen der Industrieländer dominiert wird. Zum Halten eines langfristig tragfähigen Schuldenniveaus sind in jedem Land zwar unterschiedliche wirtschafts-, sozial- und umweltpolitische Maßnahmenpakete nötig. Aber ohne eine Veränderung der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Regulierungsmechanismen internationaler Handels- und Finanzströme sind nationalstaatliche Handlungsspielräume äußerst begrenzt. So lange etwa keine internationale Regulierung der Rohstoffpreise entlang der Interessen der Entwicklungsländer erfolgt, werden exogene Preisschocks ein Dauerproblem bleiben, das mit neuen Krediten aufgefangen werden muss. Zudem muss die Abhängigkeit von externen Finanzflüssen zur Finanzierung von "Entwicklung" abnehmen. Ein nach außen orientiertes Entwicklungsmodell wird vielen Ländern auch in Zukunft Schuldenprobleme bereiten. Eine weit reichende Stabilisierung der drei internationalen Hauptwährungen untereinander bzw. ein internationales Kooperationsmodell zur Stabilisierung der Wechselkurse wäre für Entwicklungsländer von Vorteil. Auf diese Weise würde durch stabile weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen eine wichtige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung eines tragfähigen Schuldenniveaus für Entwicklungsländer geschaffen. Zur Gestaltung eines an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer ausgerichteten internationalen Handels- und Finanzsystems gehört auch, dass Entwicklungsländer die Möglichkeit haben müssen, ihre Integration in die Weltwirtschaft mit Hilfe eines breiten Spektrums politischer Instrumente zu steuern und zu gewährleisten, so dass die im auswärtigen Handel erzielten Einkommensüberschüsse auch tatsächlich im Land bleiben und in die heimische Entwicklung investiert werden können. Der Kapitalverkehr muss reguliert werden. Eine weltwirtschaftliche Öffnung darf nicht aufgrund des Zwangs zur Erwirtschaftung von Devisen oder des politischen Drucks von IWF, Weltbank oder der WTO erfolgen, sondern nur vor dem Hintergrund bereits erfolgreicher Handels- und Investitionspolitik im Inland.

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