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Stellungnahme zum Gesetzentwurf für ein Lieferkettengesetz

03.03.2021: Die Initiative Lieferkettengesetz äußert sich zum Gesetzentwurf "Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten". Sie nimmt Stellung zu inakzeptablen Schwachstellen und Einschränkungen des Entwurfs und erwartet substanzielle Nachbesserungen.

Entwurf zum Lieferkettengesetz: massive Schwachstellen machen Nachbesserungen dringend erforderlich

Am 3. März 2021 soll der Gesetzentwurf "Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten" ("Lieferkettengesetz") vom Kabinett beschlossen und dann dem Bundesrat und Bundestag vorgelegt werden. Der Gesetzentwurf leitet in Deutschland einen dringend notwendigen Paradigmenwechsel ein: Weg von einer rein freiwilligen Corporate Social Responsibility hin zu verbindlichen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Vorgaben.
In der vorliegenden Form hat der Gesetzentwurf jedoch massive Schwachstellen und muss dringend nachgebessert werden: Auf Druck der Wirtschaftsverbände, des CDU-Wirtschaftsrats, des Bundeswirtschaftsministers und der Bundeskanzlerin wurde die Reichweite der Sorgfaltspflichten von Unternehmen so eingeschränkt, dass sich die Sorgfaltspflichten in vollem Umfang nur noch auf den eigenen Geschäftsbereich und die direkten Zulieferer (Vertragspartner) beziehen. Das Lieferkettengesetz würde damit geltende internationale Menschenrechtsstandards der Vereinten Nationen und der OECD unterlaufen, nach denen Unternehmen die Menschenrechte in der ganzen Wertschöpfungskette zu achten haben.
Aus Sicht der zivilgesellschaftlichen Akteure, die sich zur Initiative Lieferkettengesetz zusammengeschlossen haben, ist eine solche Einschränkung völlig inakzeptabel. Denn die meisten Menschenrechtsverletzungen finden am Beginn der Lieferketten statt - und drohen somit, durch das Gesetz nicht erfasst zu werden.
Ebenso problematisch: Anders als das französische Sorgfaltspflichtengesetz (Loi de Vigilance) und die bisherigen Pläne für eine EU-Regulierung enthält der deutsche Gesetzentwurf keine zivilrechtliche Haftungsregelung und berücksichtigt Umweltstandards nur marginal. Zudem wurde die Anzahl der erfassten Unternehmen gegenüber den ursprünglichen Plänen der Bundesminister Heil und Müller auf Druck von Bundeswirtschaftsminister Altmaier um 60 Prozent reduziert.
In dieser Form wäre das deutsche Gesetz daher auch international das falsche Signal. Die Initiative Lieferkettengesetz wird sich daher in den kommenden Wochen und Monaten der parlamentarischen Befassung für deutliche Nachbesserungen einsetzen.

Zu den Kritikpunkten im Einzelnen:

Eingeschränkte Sorgfaltspflichten für mittelbare Zulieferer widersprechen international anerkannten Menschenrechtsstandards

Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass die Sorgfaltspflichten in vollem Umfang nur für den eigenen Geschäftsbereich sowie für unmittelbare Zulieferer (direkte Vertragspartner) gelten sollen. Für Unternehmen wie Lidl, Aldi und Co hieße das konkret, dass sie bei Bananen nur eine Handvoll direkter Zulieferer aus Deutschland in den Blick nehmen müssten, anstatt die Plantagenbetreiber in Ecuador. Gesundheitsschädigende Pestizideinsätze und Ausbeutung finden aber auf den Plantagen statt, nicht bei den direkten Zulieferern in Deutschland.
Nach dem international anerkannten Menschenrechtsstandard, den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, stehen Unternehmen in der klaren Verantwortung, Menschenrechte in Geschäften und Geschäftsbeziehungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu achten. Nicht ohne Grund sehen die UN-Leitprinzipien daher vor, dass Unternehmen zunächst proaktiv und systematisch alle Risiken in ihrer Lieferkette analysieren, bewerten und priorisieren sollen. Erst in einem zweiten Schritt sollen sie gemessen an Ausmaß und Umfang der Menschenrechtsverstöße und ihren tatsächlichen Einflussmöglichkeiten notwendige Vorsorge- und Abhilfemaßnahmen treffen.
Daher ist es inakzeptabel, dass der Bundeswirtschaftsminister dafür gesorgt hat, dass der Gesetzentwurf die Sorgfaltspflichten hinsichtlich der mittelbaren Zulieferer deutlich einschränkt. So müssen Unternehmen ihre menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken bei mittelbaren Zulieferern nur dann ermitteln und entsprechende Präventionsmaßnahmen ergreifen, wenn sie "substantiierte Kenntnis" über eine mögliche Verletzung der Menschenrechte erlangen. Sie sind also nicht angehalten, von sich aus vorsorgende Risikoanalysen durchzuführen. Ferner besteht die reelle Gefahr, dass Unternehmen erst dann aktiv werden, wenn ein Schaden schon entstanden und damit nicht mehr zu verhindern ist. Der Referentenentwurf widerspricht damit dem für die UN-Leitprinzipien zentralen risikobasierten Vorsorgeprinzip. Denn für einen effektiven Menschenrechtsschutz ist es zentral, dass Unternehmen präventiv handeln und Verletzungen möglichst im Vorfeld verhindern. In dieser Form hätte der Entwurf eine fatale Signalwirkung für die geplante EU-Regulierung zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten.
Zudem bietet die zunächst auf unmittelbare Zulieferer beschränkte Sorgfaltspflicht keinen Anreiz für Unternehmen, sich in Multi-Stakeholder-Initiativen zu engagieren oder ihre Wertschöpfungsketten offenzulegen. Im Gegenteil: Unternehmen hätten dadurch eher ein Interesse, sich nicht zu engagieren und die Wertschöpfungskette zu verschleiern, damit sie nicht von Menschenrechtsverletzungen Kenntnis erhalten. Das Gros der Menschenrechtsverletzungen ist am Beginn der Lieferketten zu verzeichnen, so zum Beispiel Kinderarbeit beim Kakaoanbau oder Vertreibungen indigener Völker und Umweltzerstörung für Bergbauprojekte. Die Sorgfaltspflichten von Unternehmen müssen daher in vollem Umfang für die gesamte Wertschöpfungskette gelten.

Streichung der zivilrechtlichen Haftungsregel

Zu den zentralen Forderungen der Initiative Lieferkettengesetz gehört die zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für vorhersehbare und vermeidbare Schäden, die sie durch Missachtung der Sorgfaltspflichten mitverursacht haben. Das Gesetz müsste klarstellen, dass ein Verstoß gegen das Gesetz Grundlage für Schadensersatzklagen Betroffener vor deutschen Gerichten sein kann, sofern die übrigen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch erfüllt sind. Dies war in den Eckpunkten des BMAS und des BMZ auch so vorgesehen.
Auf Druck der Wirtschaftsverbände, des Wirtschaftsministers und der Bundeskanzlerin ist im Referentenentwurf jedoch keine zivilrechtliche Haftungsregel enthalten. In der Konsequenz wären Betroffene von Menschenrechtsverletzungen weiterhin so gut wie chancenlos, wenn sie deutsche Unternehmen vor deutschen Zivilgerichten wegen Menschenrechtsverstößen zur Verantwortung ziehen wollen. Ein zentraler Zweck des Gesetzes, nämlich ein verbesserter Zugang zu Gerichten und Entschädigungsansprüchen für die Betroffenen, würde dadurch verfehlt. Auch die abschreckende und damit vorbeugende Wirkung einer zivilrechtlichen Haftungsregel auf deutsche Unternehmen würde somit entfallen.
Stattdessen beschränkt sich der Gesetzentwurf auf eine Neuerung zur Prozessstandschaft bei Zivilprozessen, wonach Geschädigte fortan deutsche Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zur zivilrechtlichen Prozessführung in Deutschland ermächtigen könnten. Diese Regelung würde einige praktische Hürden bei Schadensersatzklagen für die Betroffenen senken. Sie ersetzt jedoch keineswegs eine zivilrechtliche Haftungsregel, welche bei Schadensfällen im Ausland die Anspruchsgrundlagen für Betroffene vor deutschen Zivilgerichten stärken würde.

Anzahl der erfassten Unternehmen mehr als halbiert

In ihren gemeinsamen Eckpunkten zu einem Sorgfaltspflichtengesetz hatten Entwicklungsminister Müller und Arbeitsminister Heil im März 2020 noch vorgeschlagen, dass rund 7.280 Unternehmen mit über 500 Mitarbeitenden erfasst werden. Damit blieben sie schon hinter der Forderung der Initiative Lieferkettengesetz nach einer Schwelle von 250 Mitarbeitenden zurück. Nun setzte Wirtschaftsminister Altmaier durch, dass gemäß Referentenentwurf ab dem 1. Januar 2023 zunächst nur etwa 600 Unternehmen mit jeweils über 3.000 Mitarbeitenden in den Geltungsbereich fallen. Ab 2024 soll es dann für alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden gelten, was laut Bundesarbeitsministerium (BMAS) derzeit 2.891 Unternehmen entspricht. Die Anzahl der erfassten Unternehmen wurde damit gegenüber den Eckpunkten um 60 Prozent reduziert. Dabei können auch weitaus kleinere Unternehmen in Risikobranchen wie im Textilsektor oder in der Landwirtschaft zu schweren Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen beitragen. Viele große Unternehmen, aber auch kleinere Unternehmen wie Vaude haben sich dafür ausgesprochen, den Geltungsbereich deutlich zu erweitern.

Umweltbezogene Pflichten bleiben punktuell

Die derzeitige Ausgestaltung der Umweltaspekte bietet keinen ganzheitlichen und eigenständigen Schutz der Umwelt, so werden massive Umweltzerstörungen durch Biodiversitätsverlust gar nicht erst erfasst. Auch das Klima findet keine Berücksichtigung als Schutzgut. Der vorgesehene Menschenrechtsbezug mit Blick auf die Schutzgüter Boden, Wasser und Luft schränkt den Umweltschutz ein und erhöht Anforderungen an Betroffene und andere Stakeholder bei der Meldung von Umweltzerstörung. Der gewählte Ansatz reicht nicht aus, um dem Präventionsgrundsatz des Umweltrechts gerecht zu werden. Das gilt insbesondere bei schleichenden Umweltzerstörungen, die nicht unmittelbar und erkennbar zu Menschenrechtsverletzungen führen.
Analog zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte schützt der Referentenentwurf die Rechte, die im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, im Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verankert sind. Umweltstandards berücksichtigt der Entwurf hingegen nur marginal, so nimmt er auf einzelne Regelungen des Übereinkommens von Minamata über Quecksilberemissionen sowie das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schafstoffe, die jeweils den Umwelt- und Gesundheitsschutz zum Ziel haben, Bezug.
Insofern ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb andere internationale Abkommen, zu denen sich Deutschland bekannt hat, oder weitere europäische Standards nicht erfasst werden. Eine vermeintlich abschließende Auflistung einzelner Abkommen ist nicht zielführend, empfehlenswert wäre viel mehr eine schadens- und umweltgutsbezogene Generalklausel.

Interessenkonflikt bei der behördlichen Durchsetzung?

Zu den Stärken des Gesetzentwurfs gehören die Bestimmungen zur behördlichen Kontrolle und Durchsetzung. Die Unternehmen werden verpflichtet, die Erfüllung der Sorgfaltspflichten fortlaufend zu dokumentieren und jährlich einen Bericht darüber auf ihrer Website zu veröffentlichen. Im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) werden 65 Vollzeitstellen geschaffen, um die Berichte zu prüfen, aber auch risikobasierte Kontrollen durchzuführen, wenn Betroffene geltend machen, dass ihre Rechte durch Nicht-Erfüllung der Sorgfaltspflichten verletzt oder unmittelbar bedroht werden.
Verstoßen die Unternehmen gegen ihre Pflichten, handeln sie gemäß Referentenentwurf ordnungswidrig und können mit Bußgeldern belegt werden, die sich an der Schwere des Vergehens wie auch an dem Gesamtumsatz des Unternehmens orientieren Ab einer Bußgeldhöhe von mindestens 175.000 Euro sollen Unternehmen bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden können.
Die Wirksamkeit der behördlichen Durchsetzung wird unter anderem von den Rechtsverordnungen abhängen, in denen die Verfahren der behördlichen Kontrolle durch das BAFA konkretisiert werden. Diese Verordnung soll das BMAS im Einvernehmen mit dem BMWi erlassen. Anlass zur Sorge bietet auch die Tatsache, dass das BAFA dem BMWi nachgeordnet ist - welches in den letzten Monaten der entscheidende Blockierer eines ambitionierten Lieferkettengesetzes war. Hier gilt es sicherzustellen, dass die Behörde unabhängig agieren kann und ihrer Aufgabe uneingeschränkt nachkommen kann.

Erwartungen der Initiative Lieferkettengesetz:

Die Initiative Lieferkettengesetz erwartet, dass der Bundestag das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet. Damit das Gesetz wirksam ist und nicht hinter internationale Standards zurückfällt, sind im Gesetzgebungsprozess im Bundestag jedoch folgende substanzielle Nachbesserungen unbedingt erforderlich:

  • Vollumfängliche Sorgfaltspflichten nicht nur für den eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare, sondern auch mittelbare Zulieferer;

  • Eine explizite zivilrechtliche Haftungsregel, wonach Unternehmen vor deutschen Zivilgerichten für Schäden haften, die sie durch Missachtung ihrer Sorgfaltspflichten verursacht haben;

  • Einführung eigenständiger umweltbezogener Sorgfaltspflichten;

  • Eine Ausweitung des Geltungsbereichs auf alle Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden sowie auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Sektoren mit besonderen menschenrechtlichen Risiken.

Zugehörige Dateien:
Initiative-Lieferkettengesetz_Stellungnahme-zum-Gesetzentwurf.pdfDownload (501 kb)