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Rhetorik und Realität: Die Ankündigungen der G-8 und was daraus geworden ist

02.06.2003: G-8-Gipfel in Evian 2003

Von Rainer Falk

Mit dem G-8-Gipfel in Evian beginnt der fünfte Zyklus jährlicher Konferenzen der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer (plus Russland), seit diese Institution vor nunmehr 28 Jahren in Rambouillet - damals noch mit sechs Teilnehmern - aus der Taufe gehoben wurde. Das ist eine gute Gelegenheit zu einer kritischen Zwischenbilanz.

In Evian sind die G-8 mit der tiefsten Krise ihrer Geschichte konfrontiert. Sie hat drei Merkmale:

  1. Immer weniger haben sich die G-8 in den letzten Jahren mit ihrer eigenen wirtschaft­lichen Entwicklung und koordinierten Aktionen zur Wiederankurbelung der Weltwirtschaft befasst. Der Anspruch auf makro-ökonomische Politikkoordination wurde zugunsten einer Politik des "Everbody does it alone" fallen gelassen, die eigenen wirtschaftspolitischen Versäumnisse in der Gipfelländern sind auf den Konferenzen weitgehend tabu und haben allgemeinen Appellen für die Durchführung von (neoliberalen) Reformen Platz gemacht.
  2. Dem Verzicht auf eine aktive Rolle in der makro-ökonomischen Politikkoordination entspricht ein wachsender Anspruch, den Rest der Welt, also die Nicht-G-8-Mitglieder, mit Direktiven, Ratschlägen und Politikempfehlungen zu versehen. Bei insgesamt schlechter finanzieller Unterfütterung nimmt die politische Konditionierung gegenüber Drittländern, z.B. im Süden, zu.
  3. Unübersehbar ist, dass die Legitimitätskrise der G-8 in den letzten Jahren zugenommen hat. Dies liegt an den mangelhaften inhaltlichen Konzepten der G-8 ebenso wie an ihrem undemokratisch-exklusiven Klubcharakter, der sich der echten Partizipation anderer wichtiger Akteure der Weltwirtschaft weitgehend verschließt, jedoch mit einem Dominanzanspruch gegenüber dem Rest der Welt einher geht.

Alle drei Krisenfaktoren hängen zusammen und verstärken sich gegenseitig: Während die G-8 immer weniger ihre ureigensten Hausaufgaben erledigen, gehen ihre Initiativen für den Rest der Welt mit hohen Ansprüchen und teils Versprechungen einher, die regelmäßig nicht oder bestenfalls halbherzig erfüllt werden. Dies wiederum verschärft die öffentliche Legitimationskrise der G-8.

Nord-Süd-Fragen haben während der letzten G-8-Gipfel stets große Aufmerksamkeit erzielt, erwiesen sich jedoch regelmäßig als die großen Rohrkrepierer der G-8. Daran ändert auch der pompöse Empfang von Regierungschefs aus der Dritten Welt nichts, der in Evian dem offiziellen G8-Treffen vorausging:

Handel: Die G-8 haben eine maßgebliche Rolle bei der Durchsetzung neuer Liberalisierungsrunden im Welthandel, zuletzt der sog. Doha-Entwicklungsrunde, gespielt; die Realisierung der damit regelmäßig einher gehenden Versprechungen (Öffnung für Agrarimporte und Abbau von Agrarsubventionen, Zugang zu kostengünstigen Arzneimitteln, Importliberalisierung für Fertigwaren aus dem Süden, Abbau der Zolleskalation) blieben jedoch bis heute unerfüllt. Nichts deutet hier auf einen Durchbruch in Evian hin; eher besteht die Gefahr, dass konfrontative Verhaltensmuster nach dem Irak-Krieg auch auf die Handelspolitik übergreifen.

Schulden: Seit dem G-7-Gipfel vor acht Jahren in Halifax/Kanada stehen verstärkte Maßnahmen der Schuldenerleichterung für die ärmsten Länder auf der Tagesordnung der G-8. In Birmingham 1998 wurde die HIPC-Initiative lanciert und Köln 1999 verstärkt. Doch die Entschuldungshilfe erwies sich regelmäßig als zu spät und zu gering: Nur acht Länder haben bis heute eine substantielle Entschuldung unter HIPC erreicht. Nach wie vor sichert die mit HIPC verknüpfte Strukturanpassungskonditionalität vorrangig Gläubigerinteressen ab. Selbst gemessen an den eigenen bescheidenen Kriterien werden 19 der 26 derzeit bedienten HIPC-Länder nach Beendigung der Initiative keine nachhaltige Schuldensituation erreichen; die zusätzlich von der G-8 bereit gestellten Entschuldungsmittel reduzieren vor allen die Kosten von IWF und Weltbank bei der Schuldenrefinanzierung.

Millenniumsziele / Entwicklungshilfe: Zwischen dem Jahr 2000 und 2002 setzte sich im Kreise der G-7-Regierungen - zumindest auf rhetorischer Ebene - allmählich die Einsicht durch, dass der seit Jahren anhaltende Trend zum Rückgang der öffentlichen Entwicklungshilfe gestoppt und umgekehrt werden müsse. In der UN-Erklärung über die Millenniumziele vom 8. September 2000 und anlässlich der UN-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung in Monterrey/Mexiko im März 2002 verpflichteten sich G-8-Regierungen zur Erhöhung ihrer öffentlichen Entwicklungshilfe: die USA mit ihrem sog. Millenium Challange Account um eine stufenweise Steigerung der US-Hilfe um 50% bis 2006, die EU-Regierungen auf 0,39% des BNE ebenfalls bis 2006. Gemessen an der allseits anerkannten Schätzung, dass eine Verdoppelung der Hilfeniveaus notwendig wäre, um die Millenniumsziele zu realisieren, sind diese Mittel jedoch "Tropen auf heiße Steine" - von der Zweckentfremdung der Mittel für die Exportförderung einmal abgesehen. Auf dem Kananaskis-Gipfel im letzten Jahr zeigte sich zudem, dass es sich nicht um die gemeinsame Übernahme gemeinsamer Verpflichtungen gegenüber der Weltgemeinschaft handelt, sondern dass sich jeder Geber die Allokation der zusätzlichen Mittel nach eigenen Interessensprioritäten selbst vorbehält.

Afrika-Plan / NEPAD: Mit großem Getöse 2001 in Genua in Szene gesetzt und seither im schmückenden Beisein afrikanischer Staatspräsidenten weiterverfolgt, ist der sog. Aktionsplan für Afrika, der in Evian erneut einen Schwerpunkt bilden soll, bis heute ein "Aktionsplan ohne Aktion" geblieben. Während die afrikanische Partnerschaftsinitiative NEPAD inzwischen weit hinter den (Konditionalitäts-)Wünschen der G-8 zurückbleibt und sich im Kern als untauglicher Versuch zur Anlockung privater Direktinvestitionen nach Afrika erweist, ließen die G-8 die Afrikaner im Regen stehen: Mit zusätzlichen Finanzzusagen für NEPAD lassen die G-8 bis heute auf sich warten. In Kananaskis wurde letztes Jahr lediglich beschlossen, dass jedes G-8-Land bis zu 50% seiner im Millenniumsrahmen zugesagten Zusatzmittel für mustergültige Regierungen Afrikas zur Verfügung stellen "kann".

UN-Gesundheitsfonds: Auf dem G8-Gipfel in Genua 2001 sagten die Staats- und Regierungschefs 1,3 Mrd. US-Dollar für einen neuen UN-Gesundheitsfonds (zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose) zu - nicht einmal 15% der Summe, die die UN damals für notwendig hielt (10 Mrd. US-Dollar). Tatsächlich geriet der Fonds jedoch zum "Satelliten-Fonds" außerhalb der UN, in dem die Privatindustrie (z.B. in Form der Gates-Foundation) den Ton angibt, während die zentralen Gesundheitsorganisationen des UN-Systems (WHO, UNAIDS) lediglich Beobachter ohne Stimmrecht sind. Wegen mangelnder oder ganz ausbleibender Zahlungseingänge seitens der G8 stand der Fonds bereits mehrfach vor dem Aus.

Bildungsfonds: 2002 in Kananaskis versprachen die G8 430 Mio. US-Dollar für einen neuen, von der Weltbank angeregten Fonds zur Bekämpfung der Bildungskrise in der Dritten Welt. Im Frühjahr 2003 stellte eine Weltbank-Studie fest, daß davon lediglich 90 Mio. US-Dollar in feste Zusagen umgesetzt worden waren, während die meisten G8-Mitglieder bevorzugt die von ihnen favorisierten Klientel-Regierungen direkt mit Finanzmitteln bedienen.

Die G8 beschwören in ihren Kommuniqués gerne die "Chancen der Globalisierung". Die Konfrontation ihrer Versprechungen mit der Realität zeigt jedoch: Gemeint sind wohl die eigenen Chancen; als Stütze bei der Realisierung dieser Chancen für die Armen haben die G8 sich längst disqualifiziert. Den Verlierern der Globalisierung zeigen die G8 auch in Evian die kalte Schulter.

Kontakt: rfalk@pt.lu