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Evian Terms? No Terms!

25.07.2003: Flexibilisierung im Pariser Club

Die Regeln des Pariser Clubs, des informellen Zusammenschlusses von Gläubigerländern, wurden dieses Jahr im Vorfeld des G8-Gipfels in Evian flexibilisiert. Stolz verkündeten die Finanzminister der G7-Staaten, der Pariser Club würde in Zukunft besser auf die Bedürfnisse einzelner Länder eingehen, man würde von Fall zu Fall unterscheiden und in Zukunft versuchen, die drohende Insolvenz der Länder nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft abzuwenden. Ann-Kathrin Schneider fragt nach.

Von Beobachtern wurden die Reformbekundungen dagegen kritisch aufgenommen. Man vermutete, dem Pariser Club sei nicht daran gelegen, sein Schuldenmanagement generell zu verbessern, sondern nur rechtzeitig vor der anstehenden Beschäftigung mit den Schulden des Irak seine Regeln aufzuweichen, um dem Land in großem Umfang Schulden erlassen zu können. Nach den alten Standards des Pariser Clubs hätte das Gläubigerkartell dem Irak aufgrund seiner Armutssituation und Schuldenstruktur nur mittelfristige Umschuldungen gewähren können, nicht jedoch eine umfangreiche Reduktion.

Mit den neuen Regeln, die auf Grund ihrer Flexibilität nicht Evian-Terms, sondern Evian- Ansatz genannt werden, kann der Club Schulden aller Niedrig- und Mitteleinkommensländer in einem Umfang reduzieren, der ihm angemessen erscheint.

Politische Opportunität: Dies scheint auf den ersten Blick Spielräume auch für verschuldete arme Länder zu öffnen, da sie nun potentiell die Möglichkeit haben, bessere Deals auszuhandeln. Tatsache ist jedoch, daß die Entscheidungen der Pariser Club Gläubiger auch schon vor Verabschiedung des neuen Ansatzes oft von politischen Interessen geleitet waren und daß die selbstverfassten Standards oftmals mißachtet wurden. Nach ersten Erfahrungen wird dies auch in Zukunft so bleiben, und Länder, die keine politische Bedeutung für die Gläubiger haben, werden es auch nach Evian schwer haben, Schuldenerlasse in angemessenem Rahmen auszuhandeln.

So hat z.B. Nach-Kriegs-Jugoslawien mit einer pro-westlichen Regierung im Juni 2001 ein Fünftel seiner Schulden erlassen bekommen, während Ecuador im Juni 2003, also nach Verabschiedung der in Evian beschlossenen Flexibilisierung, bei einer gleich hohen Verschuldung gar keine Reduktion erfahren hat. Ecuador wurde gemäß der traditionellen Houston-Terms entschuldet, was lediglich eine Verschiebung der Fälligkeiten beinhaltet, nicht jedoch eine Verringerung der Schuldenlast. Laut Irene Knoke vom Südwind- Institut, gab es im Falle Ecuador keine Gläubigerländer, die an einer weitreichenden Entschuldung des Landes interessiert waren und sich dafür im Club eingesetzt hätten. Ecuador wird somit weiterhin doppelt so viel für den Schuldendienst ausgeben wie für den Sozial- und Bildungssektor; insgesamt wendet das Land ein Drittel seiner Staatsausgaben für den Schuldendienst auf. Diese Schuldenlast ist inakzeptabel hoch und nicht mehr tragfähig.

Schludentragfähigkeit in weiter Ferne: Es paßt jedoch zu der Willkür der Pariser-Club- Entscheidungen, daß die Frage der Tragfähigkeit der Verschuldung Ecuadors bei den jüngsten Verhandlungen keine Rolle gespielt hat. Und dies, obwohl laut dem deutschen Vertreter im Pariser Club, Siegfried Borggrefe, die Frage der Schuldentragfähigkeit das entscheidend neue am Evian-Ansatz sei. Laut Borggrefe zielt der Evian- Ansatz auf eine langfristige Entschuldung, was bedeutet, dass der Club künftig so viel Schulden erlassen will, wie ein Land benötigt, um in der nächsten Zukunft vor einer drohenden Insolvenz bewahrt zu sein. Unklar ist, wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll. Tatsächlich hat der Club schon immer behauptet, den Ländern einen langfristigen Ausstieg aus der Verschuldung, eine sog. "Exit-Lösung" anzubieten. Dies ist jedoch nur in den wenigsten Fällen gelungen. Uganda beispielsweise hat dreimal eine endgültige Lösung vom Pariser Club in Anspruch genommen und ist noch immer unverhältnismäßig hoch verschuldet. Es ist anzunehmen, daß der Pariser Club auch nach Verabschiedung des Evian-Ansatzes andere Interessen haben wird, als die Last der Schuldnerländer so zu reduzieren, daß die Staatshaushalte nicht überdurchschnittlich belastet und zukünftige Zahlungsschwierigkeiten unwahrscheinlich sind.

Die Behandlung Ecuadors und auch die in Aussicht gestellte Anlehnung der Schuldentragfähigkeitsdefinition des Pariser Clubs an die Definition von Weltbank und IWF bezeugen diese Vermutung. Laut Borggrefe werden die Schuldentragfähigkeitsanalysen des Pariser Clubs auf IWF/Weltbank-Berechnungen basieren. Das ist insofern etwas unglücklich, als die internationalen Finanzinstitutionen gerade in letzter Zeit selbst ihre Schuldentragfähigkeitsanalysen in Frage stellen und offiziell verkünden, daß ihre Berechnungen eindeutige Schwächen haben. So hat z.B. Masood Ahmed, Vizedirektor der politischen Abteilung des IWF, bei einer Konferenz in Berlin im Mai diesen Jahres gesagt, daß selbst der IWF nicht wüßte, wie Schuldentragfähigkeit erreicht werden könne. Indem er darauf hinwies, daß es mehrere Indikatoren für Schuldentragfähigkeit geben müsse, stellte er die IWF eigene Definition in Frage, die auf nur einem Indikator beruht.

Am Rockzipfel des IWF: Doch nicht nur hinsichtlich der Anlehnung an IWF und Weltbank in der Frage der Schulden- tragfähigkeit verläßt sich der Pariser Club auf zweifelhafte Freunde. Nach wie vor muß ein Land einen IWF-Kredit haben und das dazu gehörige Reformprogramm erfüllen, um im Pariser Club vorsprechen zu können. Neu ist jedoch, daß seit Evian Schuldenerlasse in Etappen gewährt werden. Ein Land hat nur dann Zugang zu dem nächsten Teilerlaß, wenn es die vom IWF vorgeschriebenen Reformen umsetzt. Im Rahmen der HIPC-Initiative wurden in den letzten Jahren erste Erfahrungen mit der schrittweisen Gewährung von Schuldenerlassen und deren Verknüpfung mit IWF-Programmen gemacht. In vielen Fällen, u.a. in Sambia, wurden Schuldenerlasse ausgesetzt, weil höchst kontroverse Privatisierungen staatlicher Unternehmen nicht durchgeführt wurden.

Fazit: Der Pariser Club hat sich mit dem neuen Ansatz erstmals öffentlich zu einer Politik der Willkür im Schuldenmanagement bekannt. Da es jetzt keine Standards und Regeln für Länder mit ähnlicher Einkommens- bzw. Schuldenstruktur mehr gibt, werden die mächtigen Industrieländer in Zukunft ihr Gläubigerkartell noch besser nutzen können, um ihre Interessen zu verteidigen. Gerade angesichts des Umgangs mit Ecuador scheinen Hoffnungen, die ärmeren ("unwichtigen") Länder könnten von dem neuen Ansatz profitieren, unbegründet. Die Beerdigung des Vorschlags für ein Staateninsolvenzverfahren, welches die Macht des Pariser Clubs ausgehöhlt hätte, und die Verabschiedung des Evian-Ansatzes manifestieren den globalen Trend hin zu einer Aufwertung flexibler internationaler Standards bei einer gleichzeitigen Blockade neuer Ansätze der multilateralen, demokratischen Regulierung.

Regeln des Pariser Clubs

Vor Evian:

  • Zugang für arme/verschuldete Länder
  • Nur Schulden von vor dem ersten Besuch beim Pariser Club werden verhandelt
  • Verschiebung der Fälligkeiten oder Reduktionen werden nach Verhandlung gewährt
  • Standardisierte Verfahren für in Kategorien aufgeteilte Länder
  • Obergrenzen für Schuldenerlasse
  • Ziel: Wiederherstellung von Zahlungsfähigkeit

Nach Evian:

  • Alle Niedrig- und Mitteleinkommensländer haben Zugang
  • Auch Schulden, die danach gemacht worden sind, können verhandelt werden
  • Gewährung in Tranchen, Einhaltung der vom IWF vorgeschriebenen Reformen als Bedingung
  • Fall-zu-Fall-Bearbeitung
  • Keine Beschränkung
  • Ziel: Tragfähige Verschuldung