Startseite Kontakt
Veranstaltungen / Aktionen

Giftiges Gold - Goldbergbau im bolivianischen Amazonasgebiet und die Rolle Europas

26.09.2023 | Bei der Veranstaltung diskutieren wir mit Expert:innen aus Bolivien, der BGR und der deutschen Zivilgesellschaft die Auswirkungen des Goldbergbaus im bolivianischen Amazonasgebiet und politische Handlungsoptionen in Europa.

Mehr erfahren



WEED-Hintergrundpapier: Hermesbürgschaften und der Ilisu-Staudamm in der Südosttürkei

14.03.2001: Mit internationaler Beteiligung plant die türkische Regierung ihr derzeit größtes Wasserkraftwerk: den Ilisu-Staudamm in Südostanatolien. Als Folge sind zunehmende Spannungen mit den Nachbarstaaten sowie schwere Nachteile für den Großteil der ansässigen Bevölkerung zu befürchten. Der Bundesregierung liegt seit längerem ein Antrag auf Gewährung einer Hermes-Bürgschaft für das Projekt vor. Die Entscheidung stellt einen deutlichen Gradmesser sowohl für die Pläne der rot-grünen Regierung, endlich eine Hermes-Reform unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten durchzuführen, als auch für ihr politisches Gesamtkonzept für den Nahen Osten dar.

Der Ilisu-Staudamm soll den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und dem Irak aufstauen. Er böte der Türkei die Möglichkeit, den Weiterfluss des Tigris in die beiden Länder für mehrere Monate zu unterbrechen. Dadurch erhält die türkische Regierung ein Erpressungspotential, das die Spannungen in der bisher schon konfliktreichen Region weiter verschärfen kann. Der geplante Ilisu-Staudamm in der Türkei ist der Inbegriff eines negativen Projektes, das mithilfe von deutschen Hermesbürgschaften gegen politische und wirtschaftliche Risiken abgesichert wird.

Die gravierendsten Probleme sind:

  • Zündstoff in Nahost
  • Massenumsiedlung von über 78 000 Menschen
  • Ökologische und entwicklungspolitische Probleme
  • Zerstörung von Kulturdenkmälern: Überflutung der antiken Stadt Hasankeyf
  • Gesundheitliche Probleme
  • Verschuldung der Türkei

Das Südostanatolien-Projekt (GAP): Zündstoff in Nahost

Der Ilisu-Staudamm stellt einen Baustein im gigantischen Südostanatolien-Projekt (Güney Anadolu Projesi, GAP) dar, das Dutzende von Staudämmen an Euphrat und Tigris zur Bewässerung und Energiegewinnung umfasst. Gleichzeitig ist das GAP ein wichtiges machtpolitisches Instrument gegenüber den arabischen Nachbarstaaten und der kurdischen Bevölkerung. Die Weltbank lehnte aufgrund des außenpolitischen Konfliktpotentials eine Beteiligung am GAP bereits 1984 ab.

Vor diesem Hintergrund ist es besonders brisant, dass die Türkei die UN-Konvention über die nicht-schiffbare Nutzung grenzüberschreitender Wasserwege nicht unterzeichnet hat, in der die Vertragsstaaten zusichern, Anrainern am Unterlauf des Flusses keinen Schaden zuzufügen. Während des Golfkriegs von 1991 reduzierte die Türkei z. B. den Wasserzufluss zum Irak. In Syrien kam es schon zur Rationierung von Trinkwasser, da der Abfluss des Euphrat durch die bisher fertiggestellten Dämme des GAP um fast die Hälfte gesunken ist. Wiederholt drohte die Türkei Syrien mit dem Stauen des Wassers, sollte Syrien der PKK weiterhin Zuflucht gewähren. Dies hat mehrfach kriegerische Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und Syrien in greifbare Nähe gerückt. Auch wenn die Türkei auf Druck der Exportkreditversicherungen den Weiterfluss einer Mindestmenge Wasser in die Nachbarländer zusichert, ist nicht auszuschließen, dass sie im Konfliktfall auf das Erpressungspotential des Staudamms zurückgreift. Zudem ist mit einer Verschlechterung der Wasserqualität zu rechnen. Syrien und der Irak haben deshalb Protest gegen den Bau des Damms eingelegt.

Auch innerhalb der Türkei war das GAP immer heftig umstritten. Laut britischer Medienberichte soll mit dem Ilisu-Damm der PKK die Fluchtwege in die Berge abgeschnitten werden. Umgekehrt kam es wiederholt zu Anschlägen der PKK auf einzelne Staudämme des GAP, zuletzt im August 1999. Eine grundsätzliche Entspannung der Situation ist durch den Rückzug der PKK noch nicht eingetreten.

Rechtliche Bedenken

Die Türkei hat weder Syrien noch den Irak detailliert über ihr Vorhaben informiert, geschweige denn sie im Planungsprozess konsultiert. Nach internationalem Recht sind die detaillierte Vorab-Information und Konsultation flussabwärts gelegener Staaten aber grundlegende Prinzipien für Projekte an grenzüberschreitenden Flüssen. Sie sind als festes Gewohnheitsrecht zu betrachten, das sich in einer Vielzahl von Verträgen, einschließlich Abkommen zwischen der Türkei und ihren Nachbarstaaten, widerspiegelt. Sowohl in der ESPOO-Konvention über Umweltverträglichkeitsprüfungen in grenzüberschreitendem Kontext als auch in der UN-Konvention über die nicht-schiffbare Nutzung grenzüberschreitender Wasserwege sowie in Urteilen des Internationalen Gerichtshofes und dem bilateralen Freundschaftsvertrag zwischen der Türkei und dem Irak von 1946 wurden diese Prinzipien weiter kodifiziert. Auch die Weltbank-Richtlinien, die als internationaler Standard, den die Türkei anzuwenden versprochen hat, anzusehen sind, beinhalten diese Prinzipien.

Ein im April 2000 veröffentlichtes Gutachten britischer und schweizer Professoren bestätigt die Verletzung internationalen Rechts bei der Projektvorbereitung und hält die Durchführung eines ausführlichen Konsultationsprozesses für unerlässlich.

Ein weiteres Prinzip bei der Regelung internationaler Flüsse ist das der gleichberechtigten Nutzung durch alle Anrainer. Dies wurde vom Internationalen Gerichtshof z. B. 1997 in einem Schiedsspruch bekräftigt. Verschiedene Äußerungen von offizieller türkischer Seite zeigen jedoch, dass die Türkei den Alleinanspruch auf die Quellen des Euphrat und Tigris erhebt. So erklärte Staatspräsident Demirel z. B.: "Mit dem Wasser ist es wie mit dem Öl. Wer an der Quelle des Wassers sitzt, hat ein Recht darauf, das ihm niemand streitig machen kann." Auch der zuständige Regionaldirektor des Südostanatolien-Projekts, Erkan Alemdaroglu, äußerte sich auf ähnliche Weise.

Mit der Übernahme einer Hermesbürgschaft würde die Bundesrepublik sich somit an einem Bruch internationalen Rechts beteiligen und die Türkei zu diesem Verfahren ermutigen.

Massenumsiedlung

Ein interner Bericht über den Ilisu-Staudamm, für den der Bundesregierung ein Antrag auf Übernahme einer Hermesbürgschaft vorliegt, belegt eklatante Mängel bei der Umsiedlungsplanung. Die Zahl der möglicherweise Betroffenen liegt demnach um ein Vielfaches höher als bisher angenommen.

Noch im Dezember 1999 war das Finanzministerium von 8.000 Umzusiedelnden ausgegangen. Die Ex-Weltbank-Expertin Ayse Kudat, die den Bericht erstellt hat, rechnet jetzt mit 55.-78.000 möglicherweise vom Ilisu-Staudamm betroffenen Personen. Zudem entspreche der Umsiedlungsplan, der überhaupt erst auf Druck der Exportkreditversicherungen von den türkischen Behörden erstellt wird, laut Kudat in vielen Punkten nicht internationalen Standards.

Über 90 Dörfer würden ganz oder teilweise überflutet werden. Insbesondere müssen auch diejenigen Kurden und Kurdinnen einbezogen werden, die in den letzten Jahren aufgrund des Kriegs in Kurdistan ihre Heimat verlassen mussten.

Im Rahmen des GAP wurden bereits Zehntausende von Kleinbauern enteignet und umgesiedelt. Nur wenige Bewohner der Region sind als Besitzer neuer Plantagen in den bewässerten Gebieten zu dem versprochenen Wohlstand gekommen. Als eine Delegation des deutschen Menschrechtsausschusses des Bundestages unter Leitung von Claudia Roth im November letzten Jahres in die Türkei reiste, teilte ein ortsansässiger Journalist der deutschen Delegation mit, dass es eine Entschädigung in Form von Geld oder Wohnungszuteilung bislang nicht gegeben habe und auch noch mindestens 20 bis 30 Jahre dauern würde. Weiterhin bemängelt er, dass die Bevölkerung in der Planungsphase der bisherigen Staudamm-Projekte nicht unterrichtet oder falsch informiert worden sei.

Beim Ilisustaudamm ist bislang ungeklärt, ob Kompensationen in Form von Land oder mit Geld erfolgen werden. Aufgrund der feudalen Gesellschaftsstruktur in Südostanatolien werden Entschädigungen jedoch nur den wenigen Landbesitzern und Dorfvorstehern zugute kommen. Für den Großteil der landlosen Bevölkerung wird daher nur der Weg in die Slums der Großstädte oder die Migration in andere Länder übrig bleiben. Selbst wenn eine gewisse finanzielle Kompensation gewährt wird, wird diese angesichts der hohen Inflation den Betroffenen nicht die Möglichkeit geben, eine neue Existenzgrundlage aufzubauen.

Die Türkei hat schriftlich versichert, internationale Standards bei der Umsiedlung einhalten zu wollen. Es bestehen jedoch große Zweifel am politischen Willen und den Durchführungskapazitäten auf türkischer Seite. Bei der Projektvorbereitung kam es bereits in 18 Fällen zu Verstößen gegen Weltbank-Richtlinien, die als Maßstab für derartige Großprojekte anzusehen sind. Erst auf Druck der Exportkreditversicherungen wird jetzt mit der Erstellung eines Umsiedlungsplanes begonnen.

Es fehlen noch immer entscheidende Daten, z. B. über die Einkommensstruktur der Betroffenen. Entgegen Weltbank- und OECD-Richtlinien sind keine Förderprogramme für Frauen vorgesehen und es wurde kein Budget für die Umsiedlungsmaßnahmen festgesetzt. Ersatzland für die Umzusiedelnden steht kaum zur Verfügung. Alternativprojekte zum Ilisu-Staudamm wurden nur sehr eingeschränkt untersucht und Umsiedlungsfragen nicht von Beginn der Projektplanung einbezogen. Insbesondere über Dörfer in den Sicherheitszonen, die als Folge des Bürgerkriegs in der Südosttürkei für Außenstehende gesperrt sind, liegen kaum Informationen vor. Obwohl laut Bericht die lokalen Bürgermeister konsultiert wurden, wurde dies vom Bürgermeister der Stadt Batman, die einen großen Teil der Umzusiedelnden wird aufnehmen müssen, verneint. Die Frage, inwieweit die Betroffenen in dieser Situation frei ihre Meinung äußern konnten, wird in dem Bericht nicht gestellt.

Von den Exportkreditversicherungen wurde ein unabhängiges monitoring der Umsiedlung zur Bedingung für ihre Beteiligung gemacht. Die türkischen Behörden wehren sich allerdings gegen eine "Einmischung von außen". Dr. Kudats Bericht bestätigt die Notwendigkeit eines derartigen monitorings. Sie versäumt es aber zu analysieren, wie das Team zusammengesetzt werden sollte, welche Kompetenzen es besitzen muss und wie es unter den Bedingungen des Ausnahmezustands arbeiten kann.

Fehlende Partizipation

Konsultationen mit der betroffenen Bevölkerung haben bisher nicht stattgefunden. Die Delegation des KHRP stellte fest, dass trotz 20jähriger Planungszeit die lokalen Behörden und Kommunalpolitiker weder von der zuständigen staatlichen Regierungsbehörde, noch von dem beantragenden Konsortium angehört worden waren, nur durch die Presse und eigene Recherchen von dem Projekt erfahren hatten und keinen Zugang zu den offiziellen Projektunterlagen erhalten hatten. Alle befragten Kommunalvertreter äußerten Ablehnung gegenüber dem Staudamm. Sie schätzen indessen die Möglichkeit einer öffentlichen Diskussion darüber als völlig irreal ein. Für gewählte Vertreter ist es nach türkischem Gesetz strafbar, sich gegen den Staudamm auszusprechen.

Erst im Dezember 2000 fand eine erste Informationsveranstaltung für Kommunalvertreter statt. Ein faires Anhörungsverfahren für die betroffene Bevölkerung ist aber nicht zu erwarten, solange das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht grundsätzlich gewährleistet ist. Ein Monitoring-Team soll den Umsiedlungsprozess begleiten; ein Verfahren für den Fall von Verstößen gegen internationale Standards ist jedoch nicht festgelegt.

Ökologische und entwicklungspolitische Konsequenzen

Der Bedarf der Türkei an Energie für die Entwicklung des Landes ist unbestritten. Dieser darf jedoch nicht auf Kosten der Nachbarländer gestillt werden. Syrien hat aufgrund seiner hohen Trockenheit z. B. mit noch gravierenderen Problemen zu kämpfen. Daher müssen sowohl die Entwicklungsprobleme als auch mögliche ökologische und gesundheitliche Probleme, die für Syrien und den Irak entstehen könnten (Versalzung der Böden, Ausbreitung von Krankheiten etc.), in der Projektplanung berücksichtigt werden. Auch eine Untersuchung von Alternativprojekten, wie sie nach internationalen Standards zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung gehört, ist nicht erfolgt.

Des Weiteren besteht die Sorge, dass im Falle der Stadt Diayarbakir nicht alle Haushalte an die Kanalisation angeschlossen werden sollen und für andere Städte noch keine Machbarkeitsstudien und Finanzierungszusagen existieren.

Nicht umsonst stehen Großstaudämme aufgrund ihrer negativen Konsequenzen für eine nachhaltige Entwicklung im Kreuzfeuer der Kritik. Statt durch die Förderung weiterer Großstaudämme vollendete Fakten zu schaffen, sollte die Bundesregierung die Ergebnisse der World Commission on Dams beachten, die im November 2000 Empfehlungen erarbeitet hat, wie Staudämme mit dem Ziel der Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen sind.

Zerstörung von Kulturdenkmälern

Unter den Orten, die in den Fluten verschwinden sollen, befindet sich Hasankeyf, die 2000 Jahre alte Stadt in Anatolien, die vollständig aus der Antike und dem Mittelalter erhalten geblieben ist und ein einzigartiges Kulturdenkmal darstellt. Sie soll einem Kraftwerk weichen, dessen Lebensdauer nur 50 - 100 Jahre beträgt. Die Organisation "Freunde des antiken Hasankeyf" hat sich deshalb mit einem Aufruf für den Erhalt der Stadt an die internationale Öffentlichkeit gewandt.

Obwohl die Stadt 1980 vom Kultusministerium unter Denkmalschutz gestellt wurde, sollen im Zuge der Verwirklichung des Ilisu-Staudammprojekts alle bestehenden Spuren aus früherer Zeit und noch zu erforschende Spuren, das Kulturerbe der verschiedenen Zivilisationen, unter Wasser gesetzt werden. Hasankeyf ist seit dem Jahr 1990 Landkreisstadt in der Provinz Batman und wurde durch Experten als eine Stadt verschiedener Urkulturen anerkannt.

Gesundheitsgefahren

Durch die Stauung des Tigris werden die Zunahme von Malaria sowie eine starke Verunreinigung des entstehenden Sees durch die Abwässer der anliegenden Städte und Dörfer befürchtet. Während Kläranlagen letztere Gefahr u. U. reduzieren können, sind die bislang als Gegenmaßnahme gegen die Ausbreitung der Malaria vorgesehenen Bildungsprogramme und Forschungslabors kaum als adäquat anzusehen.

Finanzielle Aspekte

Auch in finanzieller Hinsicht wirft das Projekt Bedenken auf. Zum einen muss durch die veränderte Zahl von Projektbetroffenen mit höheren Kompensationszahlungen gerechnete werden. Zum anderen stellt sich die fiskalische Situation der Türkei als potentiell explosiv dar, wie der OECD-Länderbericht vom Juni 1999 feststellt. Circa zwei Drittel der türkischen Staatseinnahmen werden aufgrund der immensen Binnenverschuldung des Staates mit Zinssätzen um 30 % für den Schuldendienst ausgegeben. Auch das mittelfristige Stabilisierungsprogramm wird nicht für ausreichend gehalten, um das hohe Finanzdefizit, die hohen Zinssätze und die Inflationserwartungen zu bekämpfen, die zur Instabilität des Haushalts führen. Angesichts der zusätzlichen Belastungen durch die Erdbebenschäden ist es daher fraglich, ob die Türkei zur Bedienung der Kredite in der Lage sein wird.

Die beteiligten Firmen

Die Baukosten für den Staudamm werden auf 1,52 Mrd US-Dollar beziffert. Ohne eine reguläre Ausschreibung des Projekts erhielt ein Konsortium unter Führung der schweizerisch-schwedischen Firmen Sulzer und ABB den elektrome-chanischen Vertrag. Die Hoch- und Tiefbauarbeiten wurden an ein Konsortium von Balfour Beattie (GB), Impregilo (Italien),Nurol, Kiska und Tekfen (Türkei) vergeben. Weitere Firmen aus Japan, Österreich, Portugal und den USA waren für eine Beteiligung an dem Bau im Gespräch. In Deutschland hat Sulzer Hydro aus Ravensburg einen Antrag auf die Übernahme einer Hermes-Bürgschaft gestellt. Im Herbst 1999 wurde der Hydro-Bereich von Sulzer an den Technologiekonzern VA Tech mit Sitz in Österreich verkauft.

Die schwedische Firma Skanska hat schon im September letzten Jahres erkannt, dass der Ilisustaudamm ein problematisches Projekt ist. Skanska zieht sich aus dem Ilisu-Konsortium zurück, da die Trockenheit in der Türkei die Staudämme lahm lege. Somit sei der Nutzen vom Ilisu-Staudamm fraglich. Außerdem sei Skanska mit der Verletzung der Weltbankstandards bei dem geplanten Staudamm nicht einverstanden.

Die Rolle der internationalen Exportkreditversicherungen

Das Projekt wird zumindest seit Sommer 1998 im Rahmen der OECD Working Party on Export Credits and Credit Guarantees zwischen den beteiligten Exportkreditversicherungen diskutiert. Die Schweizer Regierung bewilligte im Dezember 1998 eine Exportrisikogarantie in Höhe von 400 Mio. Franken. Die übrigen Staaten bemühen sich jedoch um eine gemeinsame Entscheidung. Damit soll demonstriert werden, dass die OECD einzelfallbezogen bereits gründliche Absprachen sowohl unter den beteiligten Versicherern als auch mit der Regierung des Empfängerlandes vornimmt und durch Auflagen für ökologische und soziale Verbesserungen sorgt. Die Forderung von Nichtregierungsorganisationen nach transparenten und allgemein verbindlichen Kriterien für Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen soll damit ausgehebelt werden.

Im Auftrag der britischen Regierung wurden zwei Studien über das Ilisu-Projekt durchgeführt: Eine Analyse der von dem Konsortium vorgelegten Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Untersuchung über Umsiedlungsfragen. Beide Berichte fällen ein vernichtendes Urteil über das Projekt. Daraufhin wurde kürzlich eine internationale Expertin beauftragt, die Umsiedlung zu überwachen. Die grundlegende Frage, wie eine Beteiligung der Bevölkerung angesichts der Menschenrechtssituation in Kurdistan gewährleistet werden kann, bleibt jedoch unbeantwortet. Zudem wurde eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im April 2000 veröffentlich werden sollten. Diese Studie liegt aber noch immer nicht vor, was auf nach wie vor bestehende Mängel schließen lässt.

Konsequenzen für die deutsche Entscheidung

Das Vorgehen der Bundesregierung, sich nicht einfach der Schweizer Entscheidung für die Förderung des Projekts anzuschließen, sondern das Vorhaben in enger internationaler Abstimmung intensiv zu prüfen, ist sehr zu begrüßen. Die erzielten "Verbesserungen" des Projekts erscheinen jedoch absolut unzureichend, um den Ilisu-Staudamm mit internationalen Standards in Einklang zu bringen.

Auch ein von den Fraktionen von SPD und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN geplanter Antrag im Bundestag lässt wesentliche Aspekte außer acht. So wird weder darauf gedrungen, dass eine Anhörung der Bevölkerung frei von Einschüchterung vor einer weiteren Prüfung des Antrags erfolgt sein muss, noch wird die Stadt Hasankeyf vollständig geschützt. Die Einhaltung der internationalen Wasserkonventionen wird zwar für wünschenswert gehalten, nicht aber zur Vorbedingung für eine deutsche Beteiligung gemacht.

Auch der Bürgschaftsantrag für den Ilisu-Staudamm macht wieder deutlich, dass es öffentliche und verbindliche Kriterien dafür geben muss, welche Projekte förderungswürdig sind. Wie es bei Großstaudämmen häufig der Fall ist, sind die Bedenken gegen den Bau des Ilisu-Staudamms grundsätzlicher Natur und durch einzelne Zusatzmaßnahmen nicht zu lösen. Dies betrifft sowohl den Aspekt, dass die angemessene Partizipation der betroffenen Bevölkerung aufgrund der jahrelangen Repression durch die Regierung nicht zu gewährleisten ist, als auch die friedenspolitischen Bedenken. Ist der Damm einmal errichtet, ist auf seine Verwendung kaum noch Einfluss zu nehmen. Die britische Zeitung Guardian warnt darüber hinaus davor, dass die NATO durch die Mitgliedschaft der Türkei in einen Krieg um Wasserressourcen hineingezogen werden könnte.

Ist es Regierung und Bundestag ernst mit einer neuen Politik der Krisenprävention und der Nachhaltigen Entwicklung, müssen sie die Beteiligung an dem Ilisu-Damm ablehnen und sich bei den internationalen Abstimmungen dafür einsetzen, diesen zukünftigen Konfliktherd von vornherein zu verhindern.

Bei mehr Informationsbedarf stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung:

WEED - Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung e.V.
Am Köllnischen Park 1
10179 Berlin
Tel. 030- 275863-21/23/24, Fax 030-27586329 antje.schultheis@weed-online.org oder barbara.unmuessig@weed-online.org

Stand: 14.03.2001