Finanztransaktionssteuer vor Durchbruch: EU-Richtlinie kommt
22.09.2011: WEED analysiert den Vorschlag der EU-Kommission für eine Finanztransaktionssteuer und begrüßt ihn als Fortschritt auf dem Weg zur Umsetzung dieser wichtigen Steuer.
Die EU-Kommission wird am 4. Oktober den Entwurf einer Direktive zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTT) vorstellen. Wichtige Eckpunkte des Entwurfs sind bereits an die Öffentlichkeit gelangt (Entwurf zum download siehe unten):
Steuerbasis: Aktien, Anleihen, Derivate. Ausgenommen werden der Spotmarkt bei Devisen. Spotmarkt heißt, dass das Geschäft längstens innerhalb eines Tages abgeschlossen sein muss. Derivate von Devisen würden von der Steuer erfasst. Der Devisenumsatz (incl. Derivate) beläuft sich auf jährlich ca. 4 Billionen USD pro Börsentag. Davon sind 1,5 Billionen Spotmarktgeschäfte. Das ist eine beträchtliche Einschränkung der Steuerbasis.
Steuersatz: 0,1% bei Aktien und Anleihen, 0,01% für Derivate.
Einnahmeerwartung: 50 Mrd. Euro.
Erhebung: Über technische Plattformen (das sind z.B Informationssysteme wie SWIFT, oder Zahlungsausgleichsysteme wie TARGET oder CLS). Dabei wird die sog. accrual rule angewendet. Das bedeutet, dass die Steuer in Echtzeit anfällt, sobald eine Transaktion stattfindet. Dieses Verfahren (Gross Real Time Settlement) hat den Vorteil, dass nicht erst am Ende eines Handelstages, wenn der Nettozahlungsausgleich (netting) stattfindet, die Steuer einmalig anfällt. Damit wird vor allem häufig stattfindenden spekulative Operationen, vorneweg der Hochfrequenzhandel, getroffen. Wenn ein Computer also tausend Transaktionen am Tag durchführt, fällt die Steuer ebenso oft an.
Umgehung: Es soll das Sitzlandprinzip gelten. D.h. jede Transaktion mit einem Käufer oder Verkäufer, der aus dem Geltungsbereich des Gesetzes kommt, wird besteuert. Damit wird auch ein Geschäft aus Singapur oder den Bermudas besteuert, wenn ein Partner aus Europa kommt. Damit bringt es nichts, den Handel zu verlagern. Um die Steuer dann immer noch zu umgehen müssten man auch seinen Sitz entsprechend verlegen.
Verwendung: Zumindest ein Teil der Einnahmen soll in die Kassen der EU fließen.
Inkrafttreten: 2014
Geltungsbereich: Die FTT soll in der EU eingeführt werden. Wenn Großbritannien nicht mitmacht, wird aber auch die Einführung in der Eurozone oder die sog. erweiterten Kooperation(enhanced cooperation mindestens neun Mitgliedsländer machen mit; bekanntestes Beispiel: Schengenabkommen) in Betracht gezogen.
Fazit: Insgesamt ist der Entwurf ein politischer Durchbruch. WEED begrüßt die Direktive. Seit 1998 setzen wir uns für eine solche Steuer ein. Dass die EU die FTT einführen will und bei der Ausgestaltung auch auf Vorschläge aus der Zivilgesellschaft zurückgreift ist ein großer Erfolg. Dennoch hat der Entwurf auch noch Schwachstellen. An erster Stelle ist das die Verwendungsfrage. Wenn wenigstens ein Teil der Einnahmen in Armutsbekämpfung und Umweltfinanzierung fließen soll, ist noch viel politischer Druck notwendig. Weitere Wermutstropfen sind:- die Ausnahmeregelung für Devisengeschäfte am Spotmarkt. - der niedrige Steuersatz für Derivate. Zudem wird es auch politischen Druck erfordern, wenigstens die Euro-Zonenoption durchzusetzen, die der enhanced cooperation unbedingt vorzuziehen ist.
Hier finden Sie den Entwurf der Richtline im Original zum Download. |