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Giftiges Gold - Goldbergbau im bolivianischen Amazonasgebiet und die Rolle Europas

26.09.2023 | Bei der Veranstaltung diskutieren wir mit Expert:innen aus Bolivien, der BGR und der deutschen Zivilgesellschaft die Auswirkungen des Goldbergbaus im bolivianischen Amazonasgebiet und politische Handlungsoptionen in Europa.

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Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück? - Die endlose Reform der Strukturanpassung

01.09.2002: Beitrag von Ann-Kathrin Schneider in W&E-Ausgabe 09/2002

Die Weltbank plant, ihre Politikleitlinien zu Strukturanpassungskrediten zu verändern. Seit 1992 basieren die Inhalte dieser nicht projektgebundenen Kreditvereinbarungen zwischen der Bank und Kreditnehmerländern auf der Operational Directive: Adjustment Lending Policy. Die Direktive kodifiziert die Kernelemente der Strukturanpassungspolitik und hat somit entscheidenden Einfluss auf den Charakter der Reformen, die den Kreditnehmerländern von der Bank vorgeschrieben werden. Ein Überblick von Ann-Kathrin Schneider.

Angesichts der enormen Lenkungskraft von Operational Directives und im Kontext der negativen Auswirkungen von Strukturanpassungspolitik auf die Kreditnehmerländer muß einer Veränderung der Strukturanpassungsrichtlinien besondere Aufmerksamkeit gezollt werden. NGOs wie WEED haben sich zu Beginn des Reformprozesses Mitte letzten Jahres für eine breite, transparente und faire Konsultation im Vorfeld der Neuformulierung der Politikleitlinien eingesetzt und im Rahmen des Netzwerkes zur Analyse der Auswirkungen von Strukturanpassungspolitik (SAPRIN) für eine grundlegende Revision der orthodoxen Strukturanpassungspolitik plädiert.

Zeit zur Intervention

Die Operational Directive: Adjustment Lending Policy sollen künftig Development Policy Support Lending heißen, und die einzelnen Veränderungen der Leitlinien spiegeln die Bemühungen der Bank wieder, einerseits den Kritikern der Strukturanpassungspolitik den Wind aus den Segeln zu nehmen und andererseits begrenzte Zugeständnisse zu machen. Der Reformprozeß wurde Anfang letzten Jahres in die Wege geleitet, die Bank hat im Juni diesen Jahres ein sog. Issues Paper publiziert, in welchem die entscheidenden Veränderungsvorschläge dargelegt werden. Bis Dezember finden Konsultationen mit der Zivilgesellschaft statt, und Anfang nächsten Jahres soll eine vorläufige Version der neuen Leitlinien veröffentlicht werden, welche dann Ende nächsten Jahres vom Exekutivrat der Bank abgestimmt werden sollen. Es bleibt also genug Zeit, sich für entscheidende Veränderungen und abweichende Formulierungen einzusetzen.

Die Bank behauptet, bei der Reform der Direktive handele es sich lediglich um die Ausformulierung von tatsächlichen Veränderungen in der Kreditvergabepraxis der letzten Jahre. So geht sie davon aus, klassische Strukturanpassungskredite mit ihren zahlreichen makroökonomischen und strukturellen Konditionalitäten hätten sich überlebt und müßten deshalb auch nicht mehr diskutiert werden. In den neuen Leitlinien, im Gegensatz zu den alten, werden so auch keine genauen Reformschritte formuliert, Empfehlungen bezüglich der Abschaffung von staatlichen Subventionen für die Landwirtschaft oder der Privatisierung staatlicher Unternehmen zum Beispiel fehlen gänzlich. Es ist zwar durchaus zu begrüßen, dass die Bank eingesehen hat, dass Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung keine Allheilmittel darstellen, problematisch ist jedoch, dass den Autoren der neuen Leitlinien anscheinend nicht bewußt ist, dass diese Maßnahmen noch immer im Rahmen von unzähligen Weltbankkrediten durchgeführt werden und die Bevölkerung in allen Teilen der Erde unter den Folgen der Politik zu leiden hat.

Makroökonomische Führungsrolle des IWF

In dem Versuch, das problematische Thema der Natur der Reformen und der Auswirkungen derselben zu umschiffen, wird vorgeschlagen, diese Themenkomplexe ganz außen vor zu lassen. Die Vorschläge der Bank für die neue Direktive beziehen sich hauptsächlich auf das Wann und das Wie der Reformen, nicht jedoch auf deren Inhalt. Hierbei bleibt die Bank weit hinter zivilgesellschaftlichen Forderungen nach einer Öffnung der Bank für national entwickelte Strategien ("ownership") zurück.

Die Reform der Operational Policy wäre eine Möglichkeit für die Bank gewesen, den Regierungen der Kreditnehmerländer zu signalisieren, dass sie bereit wäre, alternative wirtschaftspolitische Strategien zu unterstützen. Statt dessen weist sie jedoch auf die Notwendigkeit eines IWF-Programms und eines angemessenen makroökonomischen Rahmens für den Zugang zu einem Development Policy Support Credit hin. Weltbank-Kreditvergabe ist also weiterhin an die IWF-Konditionalität geknüpft, und von nationaler Verantwortlichkeit für die Formulierung von Entwicklungsstrategien kann keine Rede sein.

Die Reform der Operational Policy wäre außerdem eine Möglichkeit gewesen, die Armuts- und Partizipationsrhetorik der Bank umzusetzen und vorangestellte partizipative Untersuchungen von den möglichen Auswirkungen einer vorgeschlagenen Reform zu fordern. Statt dessen gibt es bisher nur Vorschläge für bankinterne Untersuchungen von Auswirkungen von laufenden Reformen, die betroffene Bevölkerung wird auch hier wieder außen vor gelassen.

Ungenügende Partizipation kann nicht nur in Bezug auf die Vorschläge für die neue Politikleitlinie angemahnt werden, auch der Reformprozeß selbst ist durch einen deutlichen Mangel an Partizipation gekennzeichnet. Es findet nur eine sehr begrenzte Anzahl von Konsultationen statt, insgesamt acht, wobei nur eine einzige in Afrika geplant ist, darüber hinaus sind einzelne Konsultationstermine und Orte immer noch nicht bekannt, und die ersten Erfahrungen mit Konsultationen in London haben ergeben, dass mangelnde Transparenz hinsichtlich der Tagesordnung die Vorbereitung der teilnehmenden zivilgesellschaftlichen Gruppen behindert hat.

Development Policy Support Lending statt SAP

Die Tatsache, dass sich die Reformvorschläge ausschließlich auf das Wie and Wann der Reformen beziehen, die Art der Reformen jedoch ausgeklammert wird, ermöglicht es der Bank, Diskussionen über die Inhalte der wirtschaftspolitischen Veränderungen an den Rand zu drücken. Dabei bezeugen die bisher fertiggestellten Armutsstrategiepapiere (PRSP) und die Kreditauflagen gegenwärtiger IWF- und Weltbankkredite, dass neoliberale Wirtschaftspolitik keineswegs der Vergangenheit angehört bzw. "längst abgewirtschaftet" hat (wie jüngst auch BMZ-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul wieder sagte). An einer kritischen Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der sektoralen und makroökonomischen Politik der beiden Institutionen und an Spielräumen für alternative wirtschafts- und entwicklungspolitische Ansätze mangelt es noch immer.

Ungeklärt bleibt auch die Beziehung zwischen diesem und anderen Reformprozessen und Neuerungen innerhalb der Bank. So wird zum Beispiel der Zusammenhang zwischen den national entwickelten Armutsstrategiepapieren (PRSP) und den neuen Development Policy Support Lending in keinster Weise erwähnt. Dies ist erstaunlich, da die Weltbank selbst behauptet, die auf nationaler Ebene entwickelten Armutsstrategiepapiere sollten den Rahmen für die Zusammenarbeit der einzelnen Kreditgeber mit dem Land darstellen. Im Kontext des Development Policy Support Lendings scheint sich die Bank jedoch eher auf die von ihr entwickelten Country Assistance Strategies als auf die national entwickelten Armutsstrategiepapiere berufen zu wollen.

Bisher sieht es so aus, als würde auch dieser Reformprozeß nicht genutzt werden, um nationale Verantwortlichkeit, zivilgesellschaftliche Partizipation, eine grundlegende Reform der neoliberalen Wirtschaftspolitik und Kohärenz von verschiedenen Reforminitiativen auf globaler Ebene in der Weltbank umzusetzen.


Hinweise:

World Bank, From Adjustment Lending to Development Policy Support Lending: Key Issues in the Update of World Bank Policy, Juni 2002.
World Bank, Operational Directive: Adjustment Lending Policy, Dezember 1992.