Jahrestagung 2002 von IWF und Weltbank in Washington
01.10.2002: Kurzbewertung
Die Jahrestagung von IWF und Weltbank, die Ende September in Washington stattfand, verlief ausgesprochen unspektakulär angesichts der miserablen Lage der Weltwirtschaft und der dramatischen Situation einiger hochverschuldeter Länder. Beobachter liessen sich nicht von der Rhetorik der Direktoren der Internationalen Finanzinstitutionen beeindrucken, sondern wiesen vermehrt darauf hin, dass auch dieses Jahr keine entscheidenden Schritte in Richtung einer Reform der Internationalen Finanzarchitektur unternommen worden sind.
SDRM
Einzig in der Frage des Staatensinsolvenzrechts hat sich Ende September etwas bewegt. Der internationale Finanz- und Währungsausschuss (IMFC) hat den Fonds beauftragt, bis zur nächsten Sitzung Ende April einen detaillierten und umsetzungsreifen Vorschlag für ein Staateninsolvenzverfahren auszuarbeiten. Anne Krueger, als Vizedirektorin des IWF die ranghöchste Verfechterin des so genannten SDRM (Sovereign Debt Restructuring Mechanism) im Fonds, hat jedoch im September in Washington erstmalig verlauten lassen, dass bilaterale Kredite möglicherweise aus einem Staateninsolvenzverfahren ausgeklammert werden würden. Der Fonds hatte schon zuvor verkündet, dass multilaterale Kredite, also vor allem Kredite von Weltbank und IWF, unter keinen Umständen in ein Umschuldungsverfahren á la SDRM integriert werden würden. Die Gefahr besteht daher, dass in einem neuen Verfahren die Privaten die einzigen wären, die ihre Forderungen bei Schuldenumstrukturierungen abschreiben müssten, während sowohl bi- als auch multilaterale Gläubiger sich nicht an den Kosten für Schuldenerlasse beteiligen müssten.
Für zivilgesellschaftliche Vertreter aus Nord und Süd steht fest, dass ein gleichberechtigtes, transparentes Verfahren, in welchem alle Schuldenkategorien verhandelt werden, im Mittelpunkt des Ansatzes zur Lösung der Schuldenkrise stehen muß. Der in Washington bekannt gegebene Vorschlag des IWF ist jedoch meilenweit davon entfernt. Es wird befürchtet, dass der Fonds, selber ein Gläubiger, in dem von Anne Krüger vorgeschlagenen Verfahren einen zu prominenten Platz einnehmen und dadurch die Gleichstellung von Schuldnern und Gläubigern torpedieren könnte. Aus der Sicht von WEED ist es entscheidend, dass ein unabhängiges Gremium bereit steht, um die Forderungen der Gläubiger zu überprüfen, die Zahlungsmöglichkeiten des Schuldners zu bestimmen und eine für alle Parteien bindende Entscheidung zu treffen.
Im Anschluß an die Jahrestagung steht fest, dass sich der Fonds weiter für ein Staateninsolvenzverfahren einsetzen und bis Ende November einen konkreten Vorschlag ausarbeiten wird, welcher im Dezember im Exekutivrat des IWF diskutiert werden wird. NGOs in Nord und Süd werden sich gleichzeitig für ein transparentes, faires Verfahren mit Anhörungsrecht für die Zivilgesellschaft einsetzen.
HIPC
Die Jahrestagung hat keine positiven Ergebnisse für die HIPC Entschuldungsinitiative für die ärmsten Länder hervorgebracht. Obwohl Mitarbeiter von IWF und Weltbank im Vorfeld der Tagung in einem Bericht auf die zahlreichen Schwächen der Initiative aufmerksam gemacht hatten, haben die Gouverneure sich weder auf eine finanzielle Aufstockung, noch auf eine grundsätzliche Reform der Initiative eingelassen. Im Vorfeld der Jahrestagung war bekannt geworden, dass erneute Finanzzusagen für den HIPC Trust Fund dringend notwendig seien, da sonst die Länder, die in nächster Zeit alle Voraussetzungen für Schuldenerlasse erfüllen würden, nicht entschuldet werden könnten. Auf der Jahrestagung konnte man jedoch keine Einigkeit darüber finden, wer wieviel zu der Finanzierungslücke beiträgt. Ende Oktober hat die Weltbank ein Treffen in Paris geplant, wo Mitgliedsländer sich über die Höhe ihrer Beiträge auseinandersetzen und konkrete Finanzzusagen machen werden.
Angesichts der mageren Resultate der HIPC-Initiative, durch die bisher nur sechs von 42 Ländern von Schuldenerlassen profitiert haben, mahnten sowohl einige Regierungsvertreter wie auch Vertreter der Zivilgesellschaft eine grundsätzliche Reform und Erweiterung der Initiative an. "Wenn von 26 Ländern am Decision Point nur sechs es tatsächlich bis zur Entschuldung geschafft haben, muß an dem Prozess selbst etwas nicht stimmen", so Wiezcorek-Zeul. Konkrete Veränderungsvorschläge ergaben sich jedoch nicht, der Fonds, die Bank und Vertreter der Mitgliedsländer wiesen auf ihre finanziellen Engpässe hin und überließen so die ärmsten hochverschuldeten Länder ihrem Schicksal.
Unsere Befürchtungen, dass auch der diesjährige Gipfel keine entscheidenden Veränderungen des internationalen Schuldenmanagements mit sich bringen wird, haben sich leider bestätigt. Entscheidende Schwächen des gegenwärtigen Systems, wie die willkürliche Definition der Obergrenze für Schuldenbelastung und die Macht der Gläubiger im Entschuldungsprozess, wurden ausgeklammert. Übergreifende Themen, wie die Rolle der beiden Finanzinstitutionen in Bezug auf die Instabilität des internationalen Finanzsystems und die schwache Weltkonjunkturlage, wurden sogar gänzlich außen vor gelassen. Angesichts dieses mageren Ergebnisses eines Treffens, an dem die Entscheidungsträger von Finanzministerien und Notenbanken aus der ganzen Welt teilnehmen, muß man sich wahrlich fragen, ob es nicht an der Zeit wäre, andere damit zu beauftragen, Lösungsansätze für Internationale Wirtschaftskrisen zu finden.
Ann-Kathrin Schneider , Oktober 2002