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Kohärenz als neues Zauberwort bei Weltbank, IWF, WTO und UNO

12.02.2004: Mehr Effizienz durch Kohärenz wollen IWF, Weltbank, WTO und UNO erreichen. Setzen sie damit entwicklungspolitische Ziele aufs Spiel?
(der Artikel erschien in zwei Teilen als "Wölfe im entwicklungspolitischen Schafspelz" und "Mainstreaming statt Kohärenz" in W&E 9/2003 und 11-12/2003)

In den vergangenen Monaten hat sich die Weltbank an führender Stelle um die Harmonisierung der Politiken der Geberländer und um mehr Kohärenz zwischen der Bank, dem IWF und der WTO bemüht. Aber läuft diese Harmonisierung nicht auf eine neue Standardrezeptur nach dem Motto "One-size fits all" hinaus? Und bedeuten Bestrebungen nach mehr Kohärenz im Rahmen der derzeitigen Runde von Handelsverhandlungen nicht automatisch Nicht-Kohärenz mit Zielen der Entwicklungspolitik? Eine Zwischenbilanz der Debatte zieht das <b>Bretton Woods Project.</b>

Harmonisierung" und "Kohärenz" sind zu wohlfeilen Floskeln der entwicklungspolitischen Debatte geworden. Doch jede beliebige Handlung kann mit einer x-beliebigen anderen kohärent sein - der Begriff sagt nichts über politische Ziele oder darüber aus, wer davon begünstigt wird. Harmonierung kann Manipulation ebenso bedeuten wie Zusammenarbeit für ein höheres Gut. Zu der mangelnden Klarheit der Begriffe kommt die Verwirrung darüber, wo und wie sie eingesetzt werden sollen. Sollen sie auf Politiken oder Prozeduren bezogen werden? Beziehen sie sich auf die organisatorische, die nationale oder die internationale Ebene? Sind sie in der Lage, die Kluft zwischen Entwicklungs-, Handels-, Finanz- und Sicherheitsinteressen zu überbrücken?

<b>Alter Wein in neuen Schläuchen:</b> In verschiedener Hinsicht ist das Streben nach besserer Zusammenarbeit zwischen den Hilfsagenturen so alt wie das Entwicklungsgeschäft selbst. Schon 1949 erklärte Präsident Truman, daß die Entwicklungsanstrengungen der Nachkriegszeit "ein kooperatives Unterfangen sein sollten". 50 Jahre später haben die OECD, die G7 und die Vereinten Nationen unisono zu erneuten Anstrengungen zu verbesserter Koordination aufgerufen. Die Weltbank hatte ihrerseits seit den 90er Jahren die Harmonisierung mit dem IWF und den anderen multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) auf ihrer Tagesordnung. Diese Arbeit fand ihren perfekten Ausdruck im sog. Comprehensive Development Framework (CDF; etwa: Umfassender Entwicklungsrahmen) der Bank von 1998. Das ursprünglich als New Developmentment Framework bezeichnete CDF bot mit seinem 'holistischen Ansatz' für jeden etwas. Im Februar 2001 veranstaltete die Weltbank ein Forum über Harmonisierung unter Einschluß von Vertretern der MDBs und der OECD Task Force on Donor Policies. Nachdem sie das offizielle Mandat dazu bekommen hatte, hielt die Bank im April 2002 ein High-level-Forum ab, auf dem Vertreter der Geberorganisationen und -länder die in puncto Harmonisierung gemachten Fortschritte überprüfen konnten. Dieses Forum wurde zu einer jährlichen Veranstaltung. Schlüsselelemente der Harmonisierungsagenda sind: Reduzierung der administrativen Kosten auf Seiten der Empfängerländer, Weiterverbreitung sog. "guter Praktiken", Ermutigung von ergebnisorientierten Managementmethoden, Vereinheitlichung ("Streamlining") von Konditionalität und Harmonisierung von Politiken (s. Tabelle).

<b>Tauziehen um Kohärenz:</b> Das Kohärenzthema tauchte erstmals in einer Ministerdeklaration im Rahmen der Uruguay-Runde 1993 auf. Diese erklärte "die Notwendigkeit (zum Ziel), die 'Kohärenz' der internationalen Politik durch die Verbesserung der Beziehungen zwischen dem GATT und den Bretton-Woods-Institutionen (BWIs) zu erhöhen". Auf dem UN-Sozialgipfel von 1995 fügten die Delegierten die UN hinzu, indem sie die "Koordinierung der Aktivitäten der UN, der BWIs und der WTO auf globaler, regionaler und nationaler Ebene (forderten), einschließlich der Koordinierung mit dem UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC)". Weltbankpräsident Wolfensohn war zurückhaltend in Bezug auf die Details der Zusammenarbeit mit den UN. Denn "was bedeutet schon Koordination? Ich habe einen Job zu erledigen und will dabei nicht von anderen instruiert werden, es sei denn es handelt sich um meine Shareholder." Im Jahre 1998 wurden dann jährliche Treffen zwischen den BWIs und dem ECOSOC eingerichtet, auf denen diese berichten sollten. 1996 wurde zwischen der Bank und der WTO ein formelles Kooperationsabkommen geschlossen. Eine weitere Ausweitung des Kohärenzmandats wurde auf dem gescheiterten Seattle-Gipfel von den Entwicklungsländern verhindert, weil diese befürchteten, es könnte zur Einführung einer neuen Konditionalität in die Handelsverhandlungen genutzt werden und hinter der Formulierung "andere internationale Organisationen" verberge sich die Absicht, Sozialstandards in der WTO einzuführen.

Trotz dieses Rückschlags wurde die Weltbank-IWF-WTO-Kohärenz in der Doha-Erklärung der WTO vom November 2001 akzeptiert. Seither wurden zwei Kohärenztreffen mit dem Generalrat der WTO abgehalten; zugleich wurden regelmäßige Treffen auf Führungs- und Mitarbeiterebene der Organisationen eingerichtet. Ein neue Aufruf zur Kohärenz zwischen den BWIs und den UN wurde auf der Konferenz für Entwicklungsfinanzierung im März 2002 in Monterrey verabschiedet, mit dem Vorschlag, daß die jährlichen Treffen mit dem ECOSOC "einen Dialog mit der Zivilgesellschaft und dem privaten Sektor" einschließen sollten. Zwei solcher Treffen haben bisher stattgefunden, wobei die Evaluierung in diesem Oktober stattfinden soll. Die Schlüsselelemente der laufenden Kohärenzagenda sind: Unterstützung des Arbeitsprogramms von Doha (Liberalisierung bei Gütern, Dienstleistungen und Investitionen), Aufbau handelspolitischer Kapazitäten, Verbesserung der globalen finanziellen Stabilität durch Kapitalverkehrsliberalisierung und Förderung von mehr Investitionen in Entwicklungsländern sowie Verbesserung der politischen Kohärenz auf nationaler Ebene (s. dazu ebenfalls Tabelle).

<b>Harmonisierung oder "Kartellisierung"?</b> Viele Punkte auf der Harmonisierungsagenda sind lange überfällig. Die Entwicklungsländer ertrinken seit Jahren in der Bürokratie der Geber. Gleichwohl läßt die Standardisierung der Geberpolitiken - ganz im Gegenteil zur Harmonisierung der Prozeduren - bei vielen Beobachtern die Alarmglocken klingeln. Trotz der Neigung der BWIs zu Marktlösungen bei allen ihren Operationen, wird Wettbewerb bei der Vergabe von Hilfe gerne vermieden. Devesh Kapur, der Hauptautor einer Studie über die Weltbank in ihren ersten 50 Jahren, argumentiert, daß das "'forum shopping' den Nehmern zumindest eine gewisse Auswahl zwischen regionalen Entwicklungsbanken und der Weltbank einräumt, während sich die Harmoniserung als Rutschbahn zur Kartellisierung erweisen könnte". Während die Entwicklungsagenturen als Kartell agieren könnten, kommt dem IWF sogar ein Monopol zu. In seiner Rolle als Signalgeber kann er eine Flucht der Geber auslösen, wenn er einen Nehmer 'off-track' erklärt. Während der Asienkrise hat der IWF Vorschläge zur Schaffung eines Asiatischen Währungsfonds scharf angegriffen, weil die Krisenländer durch die Präsenz eines anderen Fonds vermeiden könnten, die 'notwendige Medizin' zu nehmen.

<b>Teil 2:</b>

Unter dem Label der Kohärenz werden die Politik und die Praxis der multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs), der Regierungen und sogar der Privatbanken mehr und mehr den von den Internationalen Finanzinstitutionen (IFIs) Weltbank und IWF bereits entwickelten Ansätzen angepaßt. Das ist ein zweischneidiges Schwert, argumentiert das <b>Bretton Woods Project</b>

In einigen Fällen wirkt die Ausrichtung anderer Finanzinstitutionen an der Politik von Bank und Fonds wie eine Folgewirkung des Drucks von NGOs. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die kürzliche Annahme der von der International Finance Corporation (IFC) entwickelten Vorsorge-Leitlinien durch eine Reihe von Privatbanken. Auf der anderen Seite befürchten Gruppen, die zum Thema Handel arbeiten, daß die universelle Ausbreitung und Anwendung der von der Weltbank angeleiteten handelspolitischen Studien darauf hinausläuft, daß der Vorrang einer schnellen unilateralen handelspolitischen Öffnung gleichsam durch die Hintertür in die nationalen Entwicklungspläne Einzug hält. Ein Schlüsselinstrument, mit dem die Weltbank hofft, die Entwicklungspolitiken zu "harmonisieren", sind die Strategiepapiere zur Armutsbekämpfung (PRSP). Nationale "Ownership" war von Anfang an ein zentraler Bestandteil der Formulierung von PRSPs. Gleichwohl kommen die Regierungen zu bemerkenswert ähnlichen Ergebnissen, so lange die PRSPs von der Vorständen der Weltbank und des IWF abgesegnet werden müssen, um Finanzmittel zu bekommen. Jubilee South berichtet, daß "in einigen Fällen das vorgegebene Tempo so hoch war, daß der IWF einfach die Aufgabe übernahm, die PRSPs in einer Weise zu verfassen, daß sie die Zustimmung der Vorstände in Washington bekommen würden".

<b>Umstrittene Kohärenz:</b> Die Kritiker der Bank und des Fonds argumentieren, daß die Politik der IFIs selbst nicht kohärent mit dem Konzept der menschlichen Entwicklung ist: * Finanzen: Die den PRSP-Krediten des IWF zugrunde liegende Konditionalität widerspricht oft der jeweils verfolgten nationalen Entwicklungsstrategie. * Schulden: Die Rückzahlungsfestsetzungen reflektieren in der Regel nicht die Folgen der Liberalisierung oder von Rohstoffpreis-Schocks für die Verschuldungssituation. * Handel: Die Verhandlungsposition der Entwicklungsländer wird unterminiert durch die Verpflichtungen, die IFI-Konditionalität vorrangig zu erfüllen. * Governance: In der Weltbank verfügt ganz Afrika gerade mal über zwei Sitze von insgesamt 24. Betrachten wir etwas näher die handelspolitischen Aspekte: Während in Bezug auf Handel und Finanzen von "Kohärenz" die Rede ist, wird in Bezug auf Handel und Entwicklung von "Mainstreaming" geredet. Das legt nahe, daß es zwischen dem gegenwärtigen Handelssystem und der Agenda der Entwicklungspolitik keine "Inkohärenzen" gäbe. Hierzu argumentiert Martin Khor von Third World Network, daß "es ein großer Unterschied ist, ob das Mainstreaming der Entwicklungspolitik nach den Vorgaben der Handelspolitik erfolgt oder umgekehrt". Die Bank hat zugegeben, daß das Thema Handel in dem gemeinsamen PRSP-Ansatz fehlt. Die Frage wird sein, ob der PRSP-Prozeß nach handelspolitischen Aspekten "gemainstreamt" wird oder ob die Inkohärenz des existierenden Handelssystems mit den Prioritäten der Entwicklungspolitik untersucht wird. Eine Studie des britischen Overseas Development Institute (ODI) über den handelspolitischen Inhalt der PRSPs kommt zu dem Schluß: "Wenn Analysen zu Handel und Armut in den PRSPs berücksichtigt werden würden, würde dies angesichts der gegenwärtigen asymmetrischen Machtverhältnisse zwischen Gebern und Nehmern sicherlich weder auf unabhängige noch länderspezifische Weise geschehen." Die NGOs reagieren auf Bestrebungen der WTO nach mehr Kohärenz mit der Bank und dem Fonds auf unterschiedlichen Ebenen: * Sie stellen die Rolle der IFIs in der Handelspolitik in Frage: Warum sollten diese Institutionen eine führende Rolle beim Capacity Building übernehmen, wenn die Entwicklungsländer deren Unabhängigkeit in Zweifel ziehen? * Sie verteidigen die Rolle der UN als zentrales Forum der Beratungen und nicht - wie die WTO vorgeschlagen hat - als ein "separates institutionelles Vehikel" für Konsultationen mit der Bank und dem Fonds. * Sie fordern eine Überprüfung der Handelspolitiken der Entwicklungsländer, der bisherigen WTO-Abkommen und der IFI-Konditionalität und die Einbeziehung ihrer Ergebnisse in die Beratungspraxis gegenüber Entwicklungsländern.

<b>Trojanisches Pferd:</b> Die Kohärenzthematik ist ein umkämpftes Feld. Sie läuft möglicherweise darauf hinaus, die Entwicklungspolitik mit unfairen Handelspolitiken kohärent zu machen oder sogar mit sicherheitspolitischen Zielen der großen Wirtschaftsmächte. Das Ziel der Kohärenzarbeit von IWF, Weltbank und WTO ist widersprüchlich: Letztlich geht es um Kohärenz im Sinne "globaler Wirtschaftspolitik". Im Gegensatz dazu hätte Kohärenz im entwicklungspolitischen Sinne explizit die Maximierung des politischen Spielraums der Entwicklungsländer zum Ziel, um Schritte zur Reduzierung der Armut zu ermöglichen. Dieser Rahmen muß auch auf die Politik der Industrieländer und der multilateralen Wirtschaftsorganisationen Anwendung finden, und zwar genau da, wo diese unfaire handelspolitische Bedingungen schaffen oder für globale finanzielle Instabilität verantwortlich sind. Die Tabelle am Schluß des Artikels benennt einige Diskussionspunkte dafür, wie ein solcher Rahmen aussehen könnte. Die Diskussion über die Ausarbeitung dieser Konzepte war bislang von einer ausgewählten Gruppe multilateraler Organisationen im Verein mit den mächtigeren Geberländern dominiert. Sie sollte aber von gewählten Ministern, vor allem aus dem Süden, und nicht von ernannten Sekretariaten internationaler Institutionen geführt werden. Wo es sich anbietet, sollte der Kreis um Spezialorganisationen der UN, intergouvernmentale Einrichtungen des Südens wie die Gruppe der 77 oder das South Centres, und um Gruppen der Zivilgesellschaft des Südens erweitert werden. Wer mit diesen Diskussionen vertraut ist, wird auf die großen Schwierigkeiten verweisen, die bei einer Ausweitung der Beteiligten entstehen. Gleichwohl darf man sich vor den politischen Debatten, die bei der Umsetzung eines neuen politischen Konzepts auftreten, nicht scheuen. Ansonsten läuft die entwicklungspolitische Gemeinde Gefahr, selbst gewählte Zirkel zu schaffen, in denen - unter dem Deckmantel des wohlklingenden und harmonischen Kohärenzkonzepts - die Mächtigsten ihre Eigeninteressen als Allgemeinwohl ausgeben und durchsetzen.
Verfasser: www.brettonwoodsproject.org [Bretton Woods Project]