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Ergebnisse der Pariser Konferenz über innovative Instrumente der Entwicklungsfinanzierung 28.02./01.03.06

Peter Wahl

Die Konferenz hat neue Dynamik in den Prozess um innovative Instrumente zur Entwicklungsfinanzierung gebracht. Zwar kann noch nicht die Rede von einem Durchbruch sein, dazu war vor allem das Engagement anderer großer Industrieländer noch zu gering, aber dennoch geht es voran. So konnte Chirac für sein Hauptanliegen, Unterstützung für die Flugticketsteuer zu bekommen, einige Länder hinzugewinnen. Aus Europa Norwegen, Luxemburg und Zypern, so dass jetzt insgesamt 13 Länder (s. Liste am Schluss) Absichtserklärungen abgegeben haben, bzw. entsprechende Beschlüsse gefasst haben. Mit der Bildung einer "Pilotgruppe für Solidaritätsbeiträge zugunsten von Entwicklung", an der 38 Länder teilnehmen, (u.a. Großbritannien, Spanien, Südafrika, Deutschland, Österreich, Belgien, Südkorea, Indien, Mexiko) ist auch ein institutioneller Rahmen geschaffen worden, der den Fortgang des Prozesse gewährleisten soll. Die Gruppe ist auch offen für NGO-Beteiligung. Die nächst größere Station ist eine Konferenz, die die brasilianische Regierung in Zusammenarbeit mit brasilianischen NGOs voraussichtlich im Juni in Brasilia durchführen wird.

Deal mit Großbritannien zur IFF

Mit Großbritannien, das seit Jahren mit Vehemenz seine International Finance Facility (IFF) verficht, schloss die französische Regierung einen Tag vor der Konferenz einen politisch nicht unwichtigen Deal ab, der dann auch die Teilnahme von Finanzminister Gordon Brown an der Pariser Konferenz ermöglichte:

a. die Briten zweigen aus ihrer bereits bestehenden Steuer für Flugtickets eine noch nicht spezifizierte Summe für einen nicht spezifizierten Zeitraum ("a long-term stream of finance") in die IDPF (International Drug Purchase Facility) ab,

b. Frankreich verspricht, in das britische Projekt der (IFF) 20 Jahre lang im Schnitt 100 Mio. USD pro Jahr einzuzahlen.

Die Pläne für die IFF sind mangels internationaler Unterstützung inzwischen stark geschrumpft. Nach Gegenwärtigen Erwartungen der britischen Regierung sind 500 Mio. Pfund jährlich für Bildung und Gesundheit zusammenzubringen. Damit ist die Konkurrenz zwischen IFF und Ticketsteuer zwar noch nicht völlig beendet, aber so wie es jetzt aussieht, hat die Ticketsteuer bessere Zukunftsaussichten als die höchst unoriginelle Kapitalmarktfinanzierung von Entwicklung mit staatlichen Garantien, wie sie die IFF vorsieht. Mit der schnellen Einführung der Ticketsteuer ist vor allem der bisher einzige Vorteil der IFF gegenüber anderen Konzepten hinfällig, der sofortige Mittelfluss ("front loading"). Angesichts des knallharten Neoliberalismus der Blair-Regierung und ihrer häufig eingenommen Haltung als europäischer Ausleger der USA ist dies ein nicht zu unterschätzender Erfolg der französischen Diplomatie.

Die Probleme der IDPF

An der IDPF, an die Frankreich die Steuereinnahmen geben will, zeigt sich, dass jetzt die Fragen der Mittelverwendung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Hier steckt der Teufel im Detail. So hat z.B. Brasilien bereits durchblicken lasen, dass es nicht alle Einnahmen aus der Steuer in die IDPF einzahlen, sondern einen Teil national ausgeben will. Wenn man weiß, dass Brasilien inzwischen eine eigene Pharmaindustrie besitzt, die u.a. Generika gegen Aids herstellt, wird klar, um was es geht. Dabei ist es aus entwicklungspolitischer Sicht auch durchaus sinnvoll, die Mittel für die Seuchenbekämpfung nicht den Pharma-Multis in den Rachen zu werfen. Insofern könnte man mit den Steuereinnahmen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Seuchenbekämpfung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Pharmaproduktion in Schwellenländern. Dabei könnte es zu pikanten Konflikten in der WTO kommen, wenn die ersten Klagen der Multis (bzw. ihrer Regierungen) vorm Schiedsgericht wegen "Wettbewerbsverzerrung" erhoben werden.

Der zweite große Problemkreis, der mit der IDPF verbunden ist, sind die Governance Fragen. Da es bereits bestehende Strukturen für Impfprogramme etc. gibt, an denen verschiedene internationale Institutionen beteiligt sind (u.a. WHO, UNICEF, Weltbank), kommt der effizienten Mittelverwendung und der Vermeidung von bürokratischem Aufwand eine große Bedeutung zu. Angesichts der Begehrlichkeiten der großen Bürokratien ist hier noch einiges an Auseinandersetzug zu erwarten. Vor allem die zu Aids arbeitenden Organisationen konnten anhand der bisherigen Erfahrungen deutlich machen, dass die Steuereinnahmen auf keinen Fall der Weltbank zur Beute fallen dürfen.

Nebenwirkungen

Teil der Dynamik sind einige positive Nebenwirkungen des Prozesses:

  • es gibt eine spürbare Verschiebung im Globalisierungsdiskurs hin zu einer kritischeren Sicht des Prozesses;
  • weitergehende Ansätze wie die Devisentransaktionssteuer (CTT) und Bekämpfung der Steuerflucht bleiben weiter auf der Tagesordnung;
  • der Ansatz, als Vorreiter "Koalitionen der Willigen" anzustoßen ist erfolgreich. Damit kommt Bewegung in die lähmende Starre eines globalen Multilateralismus.

Symptomatisch für die diskursiven Verschiebungen ist die Feststellung in Chiracs Eröffnungsrede: "So wie die Globalisierung sich heute entwickelt, vermindert sie die Ungleichheit nicht nur nicht, sondern vertieft sie immer mehr... Nachdem es jahrelang die Illusion gab, dass die ökonomische Globalisierung ausreiche, die Entwick-lungsprobleme zu lösen, erkennt die internationale Gemeinschaft endlich die Notwendigkeit der Solidarität an." Chirac formuliert damit im Rahmen der G7 wohl die avancierteste Position zu diesem Thema. Kofi Annan und viele Redner aus dem Süden greifen jetzt diese Argumentationslinie auf.

Mit der Arbeitsgruppe zur CTT und zu Steuerflucht hat die französische Regierung klar gemacht, dass sie trotz der realpolitisch notwendigen Konzentration auf die Ticketsteuer auch weitergehende Projekte in der Diskussion hält. So werden die CTT und das Thema Steuerflucht auch in der offiziellen Zusammenfassung des Konferenzergebnisses erwähnt. Dass daneben auch Konzepte wie Lotterien und "Private Public Partnership" im Schwange sind, ist beim gegenwärtigen Stand der Kräfteverhältnisse wohl unvermeidlich.

Deutlich wurde auch dabei, dass die Hauptblockaden gegenwärtig von den Finanzministern, der EU-Kommission und dem IWF und natürlich den USA ausgehen. Allerdings zeigte sich einmal mehr, dass deren Position nur mit fünf Jahre alten Argumenten zu legitimieren ist. Dass die Diskussion weiter gegangen ist, dass es Ergebnisse neuerer Studien und auch reale Veränderungen auf den Kapitalmärkten gibt, wird ignoriert.

Rolle der Bundesrepublik

Die Bundesrepublik war mit der Chefin des BMZ relativ hochrangig vertreten. Dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt dass die neue Bundesregierung bei der Ticketsteuer im Vergleich zu Rot-Grün zunächst einmal einen Rückzieher gemacht hat. Steinbrücks Interview in der FAZ kurz vor der Konferenz hat das klar gemacht.Die Entwicklungsministerin hat dennoch auf der Konferenz ihre Sympathie für internationale Besteuerung formuliert und ist ans Limit dessen gegangen, was ohne Rückendeckung des Kabinetts möglich ist. Sie hat auch durchblicken lassen, dass sie kämpfen wird und sich damit ziemlich viel Sympathie auf der Konferenz geholt. Es ist davon auszugehen, dass das BMZ die Dynamik von Paris nutzen wird, um was zu verändern. Es wäre ein wichtiges Signal, wenn sich die Bundesrepublik der Chirac-Initiative anschließen würde. Das könnte weitere Dynamik erzeugen.

Rolle der Zivilgesellschaft

Die Zivilgesellschaft hatte fast optimale Möglichkeiten auf der Konferenz zu agieren. Das schlug sich u.a. darin nieder, dass gesetzte NGO-Redner im Plenum und in AGs mehrfach zu Wort kamen. Zwei Sektoren waren vor allem vertreten: die entwicklungspolitische Community bis hin zum Attac-Spektrum und NGOs die - z.T. hochspezialisiert und single issue orientiert - zu Aids u.a. Krankheiten arbeiten. Für die meisten war dies - auf beiden Seiten - eine ungewohnte Konstellation. Dennoch kam es zu einer produktiven Zusammenarbeit. Allerdings gibt es noch Defizite im Selbstorganisationsprozess der Zivilgesellschaft. Das fängt damit an, dass viele das strategische und langfristige Potential des Prozesses noch unterschätzen. Außerdem fehlt die Umweltszene so gut wie vollständig. Dennoch eröffnet die Pariser Konferenz Perspektiven für eine Dynamik auf zivilgesellschaftlicher Seite, die es zu nutzen gilt.

Liste der Länder, die die Einführung einer Ticketsteuer angekündigt haben:

Brasilien, Chile (bereits im Gesetzgebungsprozess), Elfenbeinküste, Frankreich (beschlossen; in Kraft ab 1. Juli 06), Jordanien, Kongo, Luxemburg, Madagaskar, Mauritius, Nikaragua, Norwegen, Zypern.

Berlin, 1.3. 2006

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