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Weltsozialforum im Umbruch

03.02.2005: Das letzte Gastspiel in Porto Alegre?

Als das erste WSF im Januar 2001 als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos aus der Taufe gehoben wurde, war noch nicht abzusehen, daß es sich zu einer beständigen Institution entwickeln würde. Zwar ist die Kritik am WSF seitdem nicht abgerissen, und es gibt viele, die bezweifeln, daß es dem Anspruch gerecht wird, Kristallisationspunkt einer globalen Bewegung gegen Neoliberalismus und Krieg zu sein. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger - zumal die Organisatoren bewiesen haben, daß sie auf Kritik reagieren und sich veränderten Umständen anpassen können. So hat das WSF 2005 mit ca. 155.000 Gästen aus 135 Ländern, die insgesamt 6588 Organisationen repräsentierten, deutlich mehr Zulauf erhalten als vor zwei Jahren, als das WSF zum letzten Mal in Brasilien stattfand. Dies ist insofern erstaunlich als die Rahmenbedingungen diesmal deutlich ungünstiger waren.

Verlagerung und Dezentralisierung

Vor allem Präsident Lula, im Januar 2003 gerade frisch im Amt und allseits bejubelter Hoffnungsträger, ist wegen seiner kompromißbereiten Politik inzwischen stark umstritten. In Porto Alegre selbst - eine Stadt, die 16 Jahre von Lulas PT regiert wurde und die mit einem partizipativen Haushalt konkrete Alternativen zur neoliberalen Sparpolitik vorgelebt hat, kam es Ende November 2004 zu einem Sieg konservativer Parteien. So macht es aus Sicht der sozialen Bewegungen wenig Sinn, an Porto Alegre als Austragungsort festzuhalten. Nach Meinung des Internationalen Rates, der für die Organisation des WSF zuständig ist, sprechen aber noch weitere Gründe für eine Abkehr von Porto Alegre. Der wichtigste lautet, daß man sozialen Bewegungen aus Afrika und der arabischen Welt die Teilnahme bzw. Mitsprache erleichtern will - was in größerem Umfang nur möglich ist, wenn das WSF selbst in den genannten Regionen stattfindet. Entsprechend kann der Beschluß, das nächste WSF in Afrika auszurichten, nur begrüßt werden, auch wenn dies zahlreiche organisatorische Probleme nach sich ziehen wird. So ist etwa noch nicht absehbar, ob sich die AfrikanerInnen auf einen Austragungsort einigen können und inwieweit sie in der Lage sein werden, die organisatorischen und finanziellen Anforderungen, die mit einem derartigen Großereignis verbunden sind, zu bewältigen. Da das WSF nur noch alle zwei Jahre stattfinden soll, bleibt den Beteiligten aber immerhin genügend Zeit, sich auf die große Herausforderung einzustellen. 2007 wird das Weltsozialforum also in Afrika stattfinden, wobei derzeit verschiedene Länder (u.a. Südafrika und Marokko) im Gespräch sind. In der Zwischenzeit - also 2006 sowie 2008, 2010 usw. - sollen regionale Sozialforen organisiert werden. Abgesehen von Athen, dem Austragungsort des nächsten Europäischen Sozialforums - steht aber erst Caracas als Austragungsort fest. Dies entspricht der aktuellen Bedeutung Venezuelas für die lateinamerikanische Linke, die sich in dem enthusiastischen Beifall äußerte, den Präsident Hugo Chavez in Porto Alegre erhielt.

Starkult oder Selbstorganisation?

Nun kritisieren einige, daß der Auftritt von sowohl Lula als auch Chavez der Entscheidung widersprochen hat, die im Vorfeld des diesjährigen Forums getroffen wurde, nämlich auf Großveranstaltungen mit Berühmtheiten der Bewegung zu verzichten, um dem selbstorganisierten Prozeß der Erarbeitung von Alternativen mehr Raum zu geben. Daß diese Entscheidung im Grundsatz richtig war, wird kaum jemand in Zweifel ziehen. Allerdings kann argumentiert werden, daß etwas mehr bewußte Organisation dem diesjährigen WSF sehr wohl genutzt hätte. Beispielsweise führte der Beschluß, im Veranstaltungsprogramm nichts und niemanden "hervorzuheben" bei den deutschen TeilnehmerInnen mitunter dazu, daß sie statt des Gesamtprogramms das übersichtlichere Programm mit den Veranstaltungen der deutschen Organisationen zu Rate zogen - und sich hinterher sehr ärgerten, wenn sie interessante Veranstaltungen verpaßt hatten. Hier muß also eine bessere Balance gefunden werden - z.B. indem man das selbstorganisierte Tagesprogramm durch größere, themenübergreifende Abendveranstaltungen ergänzt. Denn ist es nicht sinnvoll, zwischen Workshops, die der inhaltlichen Vertiefung dienen und Veranstaltungen, die zur Bündelung und Verbreitung von Ergebnissen genutzt werden können, zu unterscheiden? Und folgt es wirklich demokratischen Prinzipien, wenn vielen TeilnehmerInnen des WSF verweigert wird, Persönlichkeiten wie Galeano oder auch Chavez anzuhören, indem man keine entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung stellt?

Von der Vernetzung zur Aktion

Natürlich funktioniert die Organisation eines Forums für 150000 Teilnehmer niemals reibungslos, und es wird nie gelingen, es allen recht zu machen. Während etwa ein Teil der Gäste die gute Arbeitsatmosphäre und Ausstattung der Katholischen Universität (dem früheren Austragungsort in Porto Alegre) vermißte, waren andere TeilnehmerInnen geradezu begeistert von der Festival-Atmosphäre in den großen und kleinen Zelten, in denen die Veranstaltungen erstmals stattfanden. Und während sich einige über theoretischen Stillstand und ideologische Grabenkämpfe beklagten, konnten andere von großen inhaltlichen und organisatorischen Fortschritten berichten. Alle aber dürften sich einig sein, dass das Weltsozialforum eine hervorragende Gelegenheit bietet, um AktivistInnen unterschiedlicher Länder und Organisationen miteinander zu vernetzen. Und dass dieser Austausch durchaus Ergebnisse hervorbringt, konnte man nicht nur bei dem Wasserforum oder dem Antikriegsforum beobachten, bei denen man sich auf gemeinsame Strategien bzw. Kampagnen einigte. Auch die zahllosen kleineren Veranstaltungen brachten oft konkrete Initiativen hervor - etwa ein von deutschen Gewerkschaften unterstütztes Projekt zu globalem Lernen, welches SchülerInnen verschiedener Kontinente in direkten Kontakt bringen soll. Alles in allem war das WSF 2005 also eine durchaus gelungene Veranstaltung - und für all jene, die wie ich zum ersten Mal daran teilnehmen durften ein schönes und unvergeßliches Erlebnis.

Dieser Beitrag erschien gleichzeitig im Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E 02/2005). Siehe auch die W&E-Website: www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org

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