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Warum die EU-Position in den Verhandlungen über neue AKP-Handelsabkommen der Entwicklung abträglich ist

23.04.2004: Hintergrund-Informationen zu den EU-AKP-Verhandlungen über neue Handelsabkommen im Rahmen des Cotonou-Abkommens

CONCORD Cotonou-Arbeitsgruppe, April 2004

Seit September 2002 verhandelt die Europäische Union mit 77 Entwicklungsländern aus dem afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum (den AKP-Staaten) über so genannte ‚Wirtschaftspartnerschaftsabkommen’, kurz WPA. Diese Verhandlungen finden parallel zu den multilateralen Handelsgesprächen auf der Ebene der Welthandelsorganisation (WTO) statt und sind wesentlicher Bestandteil einer breit angelegten europäischen Initiative zur Liberalisierung des Handels, die den Entwicklungsländern weitreichende wirtschaftliche Zugeständnisse abverlangt.

Die Zusammenarbeit zwischen der EU und den AKP-Staaten wird seit 1975 durch die Lomé-Abkommen geregelt. Diese Abkommen sahen insbesondere einseitige Handelspräferenzen zwischen der EU und den einzelnen AKP-Staaten vor. Im Juni 2000 wurde in Cotonou dann ein neues Kooperationsabkommen unterzeichnet, das erstmals Verhandlungen über eine Neuregelung der Handelsbeziehungen zwischen der EU und den einzelnen AKP-Regionen in Form von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vorsieht.

Dem Cotonou-Abkommen zufolge sollen die Vertragspartner "neue, WTO-konforme Handelsregelung vereinbaren, die zwischen ihnen bestehenden Handelshemmnisse schrittweise beseitigen und die Zusammenarbeit in allen handelsrelevanten Bereichen verstärken" und die "auf den Initiativen der AKP-Staaten zur regionalen Integration" aufbauen . Die Verhandlungen sollen gegen Ende 2007 zum Abschluss kommen. Für die schrittweise Umsetzung der neuen Handelsabkommen ist der Zeitraum von 2008 bis 2020 vorgesehen.

Die WPAs bedeuten nicht nur das Ende der einseitigen Handelspräferenzen, von denen die AKP-Länder bislang profitieren, sondern sie schaffen zwischen den EU- und AKP-Ländern eine Handelsordnung, die in zweierlei Hinsicht über die WTO-Bestimmungen hinausgeht.

Erstens will die Europäische Union diese Partnerschaftsabkommen nur mit Regionen schließen, die laut Definition der WTO, d.h. gemäß GATT Art. XXIV, als Freihandelszonen gelten. Die Schaffung einer Freihandelszone bedeutet jedoch, dass in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft Zölle und andere Handelsbeschränkungen in einem Zeitraum von 10 Jahren vollständig abgeschafft (nicht bloß reduziert) werden (wobei eine Fristverlängerung nur in Ausnahmefällen möglich ist). Darüber hinaus besteht die EU auf einer engen Auslegung der WTO-Regelung und interpretiert die Formulierung "annährend den gesamten Handel" über den Anteil der Marktöffnung mit mind. 90 %. Ausnahmen davon wären zudem nur begrenzt möglich. Mit anderen Worten wären die AKP-Länder durch den Abschluss von WPA gezwungen, ihre Märkte innerhalb kürzester Zeit fast vollständig für EU-Importe zu öffnen.

Zweitens sollten nach Auffassung der EU auch Fragen wie Investitionen, Wettbewerb, Transparenz des öffentlichen Beschaffungswesens, Handelserleichterungen und Datenschutz in die WPA-Verhandlungen einbezogen werden . Die ersten vier Punkte gehören zu den so genannten Singapur-Themen, denen sich viele Entwicklungsländer, darunter auch die AKP-Staaten, auf WTO-Ebene so vehement widersetzt haben. Zudem sind im Cotonou-Abkommen lediglich Verhandlungen über ein Abkommen zum Investitionsschutz und eine Zusammenarbeit im Bereich des Wettbewerbsrechts vorgesehen. Die EU will also nicht nur über den auf WTO-Ebene erzielten Konsens, sondern auch über die Vereinbarungen des Cotonou-Abkommens hinausgehen. Gleiches gilt für den Dienstleistungssektor, für den die EU rasche Verhandlungen mit ehrgeizigen Zielen vorantreibt.

Die EU- und AKP-Staaten sind sich einig, dass WPAs "Instrumente für die Entwicklung" werden müssen. Dieses Entwicklungsziel wird allerdings durch die Haltung, die die EU in den WPA-Verhandlungen einnimmt, aufs Spiel gesetzt.

Die Problematik der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen

1. Freihandelszonen setzen AKP-Staaten dem vernichtenden Wettbewerb der EU aus

Art. XXIV des GATT-Abkommens, vor allem in der engen Auslegung der EU, lässt den AKP-Staaten zu wenig Spielraum: Die Übergangszeit ist zu kurz, der Geltungsbereich zu groß, das Ziel der völligen Abschaffung von Zöllen zu hoch gesteckt und die Position der am wenigsten entwickelten Länder, Binnen- oder Inselstaaten mit kleinen, verwundbaren Volkswirtschaften wird zu wenig berücksichtigt.

Die Produzenten aus den AKP-Staaten - und aus den am wenigsten entwickelten Ländern sowie anderen schwachen Volkswirtschaften - leiden unter großen Kapazitätsproblemen und werden kämpfen müssen, um sich gegen die Importschwemme von zollfreien und oft stark subventionierten Gütern aus Europa behaupten zu können, vor allem in Bereichen, in denen sie bereits konkurrieren.

Unsichere inländische oder regionale Märkte, auf denen Produkte mit EU-Importen konkurrieren müssen, bieten darüber hinaus Produzenten oder Investoren in den AKP-Staaten kaum einen Anreiz, ihr Angebot auf höherwertigere Produkte auszubauen bzw. Geld in die Leistungssteigerung zu investieren. Mögliche Folgen wären, dass die Entwicklung in den AKP-Staaten sozusagen "auf Eis gelegt wird", sie noch stärker von der Produktion und dem Export von Grundstoffen abhängig sind und die Industrialisierung gebremst wird, was mit einem Verlust an Arbeitsplätzen einhergeht. Selbst die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Nachhaltigkeitsstudie warnt, die WPAs "könnten den Zusammenbruch des modernen westafrikanischen Fertigungssektors beschleunigen".

2. Mit der Öffnung für EU-Importe kommen auf die AKP-Staaten enorme Anpassungskosten zu

Um mit EU-Importen konkurrieren zu können, müssen die AKP-Staaten enorme Mittel in die Produktions- und Logistikkapazitäten, in soziale sowie andere kompensatorische Maßnahmen investieren, die diese von Rohstoffkrisen, Strukturanpassung, Schulden, AIDS und Krieg geschwächten Länder schlichtweg nicht zur Verfügung haben. Seitens der EU sind derlei Anstrengungen nicht nötig und trotzdem werden es die Märkte der EU sein, die expandieren. Unterdessen weigert sich die EU, Zusagen für zusätzliche Mittel in ausreichender Höhe zu machen, die für die Vorbereitung, Einrichtung und das Funktionieren der EU-AKP Freihandelszonen notwendig sind. Mit anderen Worten, von den AKP-Staaten wird erwartet, dass sie beträchtliche Verpflichtungen eingehen, ohne eine Sicherheit zu haben, diese auch bezahlen zu können.

3. Einnahmenverluste der Staaten bedeuten eine schwere Beeinträchtigung der staatlichen Handlungsfähigkeit

Die Abschaffung von Zöllen hat enorme Auswirkungen auf die Staatseinnahmen, da die Staatshaushalte vieler AKP-Staaten stark von Einfuhrsteuern abhängig sind. Ein Wegfall dieser Einnahmequelle führt zu drastischen Haushaltslöchern und zu einer erheblichen Einschränkung der institutionellen Handlungsfähigkeit in den AKP-Staaten, so dass die Schaffung eines alternativen Steuersystems erforderlich wird. Selbst dann ist in einigen Ländern nicht gewährleistet, dass die Staatseinnahmen durch die Erhebung alternativer Steuern gesichert werden. In jedem Fall müssen aber zusätzliche Einnahmequellen erschlossen werden, wenn die Umstellung der Steuersysteme in den AKP-Staaten nachhaltig unterstützt werden soll.

4. Selbst die ärmsten AKP-Länder werden gezwungen sein, ihre Volkswirtschaften für die EU-Märkte zu öffnen

Die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries - LDC) sind in der Regel von den in der WTO geltenden Gegenseitigkeitsklauseln ausgenommen. Wenn sie aber einer Freihandelszone gemäß Art. XXIV des GATT-Abkommens beitreten, sind sie gleichzeitig verpflichtet, ihre Handelsschranken bis auf ein Minimum abzubauen. Zwar hat die EU mit der Initiative "Alles außer Waffen" im Jahr 2001 in einer groß angekündigten Geste allen LDC den zoll- und quotenfreien Zugang zu den europäischen Märkten gewährt, aber schon jetzt ist abzusehen, dass die LDC im Rahmen der WPAs gezwungen sein werden, als Gegenleistung ihre Märkte ebenfalls zu öffnen.

5. Die unterschiedslose Öffnung der AKP-Volkswirtschaften gefährdet regionale Integrationsprozesse der AKP-Staaten

Im Zuge einer weiteren Liberalisierung des Handels werden die laufenden Kooperations- und Integrationsprozesse in den AKP-Regionen beeinträchtigt, weil die EU (i) tendenziell regionale Kooperations- und Integrationsprozesse auf die Liberalisierung des Handels verengt, (ii) den Umfang und das Tempo der Liberalisierung bestimmt, (iii) bestehende regionale Wirtschaftssysteme aufbricht und (iv) weil sie in allen Regionen präsent sein will (im Rahmen der WPA-Verhandlungen sind Freihandelszonen zwischen der EU und Westafrika, der EU und Zentralafrika, der EU und Ostafrika und dem südlichen Afrika, der EU und dem karibischen Raum und der EU und dem pazifischen Raum vorgesehen).

6. Die EU-Außenpolitik gegenüber Drittländern untergräbt bestehende Sondervereinbarungen

Die für die AKP-Staaten geltenden Handelspräferenzen werden durch die von der WTO vorangetriebene Liberalisierung und andere bilaterale Verhandlungsprozesse zwischen der EU und Drittstaaten, die Entwicklungsländern aus nicht-AKP-Regionen einen besseren Marktzugang verschaffen, weiter untergraben. Die bestehenden Sondervereinbarungen mit AKP-Staaten haben infolge der Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) an Wert verloren, denn wegen der strengen Vorschriften über Herkunftsangaben und einer Vielzahl von Handelsbeschränkungen (z.B. verschärfte Hygiene- und Pflanzenhygienevorschriften) ist der Zugang zu EU-Märkten schwieriger geworden. Kurz gesagt: Der wertvolle Marktzugang, den die AKP-Länder unter hohem Kostenaufwand erhalten sollen, verliert zunehmend an Bedeutung.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, sofern sie auf Freihandelszonen mit der EU basieren, die AKP-Länder zu schwer belasten. Der Optimismus der Europäischen Kommission im Hinblick auf die positiven Auswirkungen ihrer Politik auf die Entwicklung ist unangebracht.

Wir schlagen zwölf Maßnahmen zur Änderung der aktuellen EU-Verhandlungsstrategie vor.

Wir rufen die EU und ihre Mitgliedsstaaten dringend dazu auf, folgende Vorschläge zu berücksichtigen:

  1. In schwächeren Volkswirtschaften des Südens darf die Liberalisierung des Handels nicht überstürzt erfolgen. Vor einer Liberalisierung müssen zunächst zuvor vereinbarte Entwicklungsindikatoren erfüllt sein.
  2. Der Schwerpunkt der Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten muss im Einklang mit den Grundsätzen und Zielen des Cotonou-Abkommens weniger auf den Aspekten des Handels, sondern vielmehr auf der Entwicklungszusammenarbeit liegen.
  3. Dringend muss die Möglichkeit alternativer Handelsvereinbarungen geprüft werden, in denen sowohl die wirtschaftlichen Ziele des Cotonou-Abkommens als auch der von den AKP-Staaten angemeldete Entwicklungsbedarf berücksichtigt werden.
  4. Gemeinsam mit den AKP-Staaten muss ein höheres Maß an Flexibilität innerhalb der WTO erreicht werden, um die Umsetzbarkeit wirtschaftspolitischer Maßnahmen dieser Art zu gewährleisten und auch zum Beispiel regionale Handelsvereinbarungen zwischen entwickelten, unterentwickelten und LDC-Staaten zu ermöglichen.
  5. Laufende regionale Integrationsbemühungen müssen respektiert und unterstützt - nicht unterlaufen - werden.
  6. Zusätzliche Ressourcen müssen freigegeben und leichter und schneller bereitgestellt werden, um in den AKP-Staaten die Angebotsseite zu stärken, strukturelle Schwächen zu beseitigen, Produktionsleistungen zu erhöhen, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und die Volkswirtschaften zu diversifizieren.
  7. Weitere Mittel müssen für eine nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung freigesetzt werden, und zwar durch die Erhöhung der staatlichen Entwicklungshilfe, den Erlass untragbarer, unbezahlbarer Schulden der AKP-Staaten und die Erschließung neuer Finanzierungsquellen für die Entwicklungshilfe (z.B. Besteuerung von Devisengeschäften).
  8. Es sollte sichergestellt werden, dass die durch die EU-Politik verursachten Kosten der AKP-Staaten, zum Beispiel durch den Wegfall von Ein- und Ausfuhrsteuern, die Auswirkungen der GAP-Reform und den Wegfall von Sondervereinbarungen, auch von der EU kompensiert werden.
  9. Die gemeinsame Agrarpolitik der EU muss in einer Weise reformiert werden, die Familienbetriebe in Europa nachhaltig schützt und den agrarpolitischen und handelspolitischen Interessen der Drittländer nicht zuwiderläuft.
  10. Die Auswirkungen derzeitiger und zukünftiger Handelspolitik (z.B. Reform der Handelsbestimmungen und Strukturanpassungspolitik) müssen sorgfältiger geprüft werden.
  11. Die AKP-Staaten dürfen nicht zu Verhandlungen gezwungen werden, die in Fragen der Liberalisierung von Investitionen, der Wettbewerbspolitik, der Transparenz des öffentlichen Beschaffungswesens, der Handelserleichterungen, des Datenschutzes und des Dienstleistungssektors über die Vereinbarungen des Cotonou-Abkommens hinausgehen.
  12. Es muss ein höheres Maß an Transparenz in den regionalen Wirtschaftsverhandlungen Europas gewährleistet sein. Weitreichende, authentische, wirksame Konsultationsprozesse, die insbesondere die gesellschaftliche Basis und zivilgesellschaftliche Organisationen einbeziehen, sind erforderlich. Ferner muss den nationalen und supranationalen Parlamenten, auch der gemeinsamen parlamentarischen Versammlung der AKP-Staaten und der EU, mehr Verantwortung übertragen werden.

Die Cotonou-Arbeitsgruppe der europäischen NGO Confederation for Relief and Development (CONCORD) wurde im Oktober 2003 ins Leben gerufen. Ihr oberstes Ziel ist es, die Umsetzung des Cotonou-Abkommens so zu begleiten, dass die Armut in den AKP-Staatenwirksam bekämpft und zu einer nachhaltigen Entwicklung beigetragen wird. Augenblicklich konzentriert sich die Tätigkeit der Cotonou-Arbeitsgruppe auf die wirtschaftliche sowie entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten und der EU und auf die Rolle der Zivilgesellschaft im Cotonou-Prozess.


Weitere Informationen über unsere Arbeit und Möglichkeiten der Mitarbeit erhalten Sie bei der Vorsitzenden der CONCORD Cotonou-Arbeitsgruppe: Jenny Brown


[1] Diese Gruppe umfasst alle AKP-Staaten ohne Südafrika, das im Jahr 1999 bereits ein Freihandelsabkommen mit der EU geschlossen hat, und Kuba, das das Cotonou-Abkommen nicht unterzeichnet hat.
[2] Art.34 bis 38 des Cotonou-Abkommens.
[3] Mandat der Europäischen Kommission für die Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten und Regionen, 17. Juni 2002
[4] Nachhaltigkeitstudien (Sustainability Impact Assessments, kurz SIA) über die Verhandlungen von EU-AKP Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Westafrika, Entwurf des Mid Term Berichts, 1. Oktober 2003, <a title="Externer Link zu www.sia-gcc.org/acp/download/summarized_mid-term_report_final_doc_light.pdf (Neues Fenster)" rel="noopener" target="_blank" href="http://www.sia-gcc.org/acp/download/summarized_mid-term_report_final_doc_light.pdf">

Zugehörige Dateien:
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