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Wiedervorlage ungewiß: 3. Aktionsprogramm für die ärmsten Länder (LDCs)

01.02.2001: Artikel aus dem Sonderdienst des Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (02/01)

Das öffentliche Interesse an der 3. Konferenz der Vereinten Nationen über die ärmsten Entwicklungsländer ("Least Developed Countries" - LDCs), die vom 14. bis 20. Mai 2001 auf Einladung der Europäischen Union im Europäischen Parlament in Brüssel stattfand, hätte kaum geringer ausfallen können. Dabei war das Brüsseler Treffen nach dem "High-Level Meeting" vom Oktober 1997 in Genf (s. W&E SD 2/97) und 10 Jahre nach der 2. LDC-Konferenz in Paris (s. W&E SD 6/90) der vielleicht letzte Versuch der internationalen Gemeinschaft, der anhaltenden Marginalisierung der LDCs in der Weltwirtschaft entgegenzuwirken.

Nach einer Dekade der Marginalisierung

Offen haben alle Beteiligten das Scheitern der ersten beiden Aktionsprogramme eingestanden. Die Zahl der LDCs hat sich von 25 im Jahre 1971 auf derzeit 49 erhöht, zwei weitere Kandidatenländer stehen auf der Schwelle. Ein Verlassen der Gruppe fällt dagegen schwer: Nur Botswana gelang dieser Schritt. Die Lebensbedingungen in vielen der ärmsten Länder haben sich in den 90er Jahren massiv verschlechtert. Rückblickend spricht die UN-Handels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) von einer "Dekade der Marginalisierung, der Ungleichheit, Armut und sozialen Ausgrenzung". Aus der Sicht des UN-Generalsekretärs Kofi Annan ging es in Brüssel daher "ganz einfach um die Zukunft der Ärmsten der Armen und damit um das Wohlergehen der gesamten Menschheit".

Das offizielle Mandat der Konferenz umfaßte neben der Bewertung der nationalen Umsetzung des Pariser Aktionsprogramms aus dem Jahr 1990 die Prüfung weiterer internationaler Maßnahmen zur Unterstützung der LDCs in den Bereichen Öffentliche Hilfe (ODA), Schulden und Handel und Investitionen sowie als Kernstück die Verabschiedung eines neuen Aktionsprogramms für die Jahre 2001-2010 (s. Hinweis). Erklärtes Ziel der internationalen Anstrengungen ist die Halbierung des Anteils der Menschen, die in absoluter Armut leben, bis zum Jahr 2015 durch Förderung nachhaltiger Entwicklung und die kontinuierliche Integration der LDCs in die Weltwirtschaft. Zur Überwindung der "internationalen Armutsfalle", in der die LDCs seit nunmehr 20 Jahren stecken, sind nach Auffassung des UNCTAD-Generalsekretärs Rubens Ricupero vor allem die Stärkung der globalen Politikkohärenz, öffentlichprivate Partnerschaften (PPP) zur Entwicklungsfinanzierung sowie die Verbesserung des Verhältnisses der LDCs zu ihren wirtschaftlich besser gestellten Nachbarn im Süden von Bedeutung.

Die Konferenz war in drei inhaltliche Säulen gegliedert: Wie schon auf den drei Vorbereitungstreffen ("PrepComs") in New York wurden die politischen Verhandlungen über das Aktionsprogramm in zwei Gruppen geführt. Parallel dazu sollten interaktive Dialogforen, die von den unterschiedlichen UN-Organisationen vorbereitet wurden, einer breiteren inhaltlichen Diskussion Raum bieten. Diese waren u.a. Fragen der guten Regierungsführung ("good governance") und sozialen Stabilität, der Steigerung produktiver Kapazitäten im Landwirtschafts-, Gesundheits- und Investitionsbereich, dem Erziehungswesen, dem Handel mit Waren und Dienstleistungen, der Entwicklung menschlicher Kapazitäten, dem Transport- und Infrastruktursektor sowie der Finanzierung von Entwicklung und Wachstum gewidmet. Den dritten Teil der Konferenz bildeten Sonderveranstaltungen, die von einem "Welt-Bürgermeister-Treffen” aus Süd und Nord über runde Dialog-Tische der Privatwirtschaft bis hin zu einem Migrationsforum und einem Erfahrungsaustausch junger Unternehmerinnen reichten.

NGOs: Praktikabel und nüchtern?

Bereits vier Tage vor der Konferenz begann das Forum der Nichtregierungsorganisationen (NGOs), das den gesamten Verhandlungsverlauf mit zahlreichen Veranstaltungen und informeller Lobbyarbeit begleitete. UNCTAD-Generalsekretär Rubens Ricupero betonte schon im Vorfeld die Bedeutung der Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure in allen Bereichen der Konferenz. Und Kofi Annan ergänzte: "Die Ideen der NGOs sind mit hoher Wahrscheinlichkeit praktikabel und nüchtern, und daher am wertvollsten. Jeder Teilnehmer dieser Konferenz sollte daher auf die NGOs hören." Die anwesenden NGOs sahen das allerdings anders. Sie kritisierten, daß die politischen Verhandlungen in Brüssel entgegen der während der Vorbereitungstreffen herrschenden Praxis hinter verschlossenen Türen stattfanden. Zwar war die Zahl der offiziell akkreditierten NGOs, viele davon aus den LDCs, so hoch wie selten bei einer UN-Konferenz. Dennoch konnten sie im offiziellen Rahmen nur wenige eigene Akzente setzen. So wurden konkrete NGO-Forderungen in einer gemeinsamen politischen Erklärung zu Beginn der Konferenz formuliert. Sie umfaßten den Ruf nach Beachtung der universellen Menschenrechte, garantierte Arbeitnehmerrechte und Arbeitsstandards, den freien Zugang zu Arzneimitteln zur Behandlung von AIDS und anderen ansteckenden Erkrankungen, den vollständigen Erlaß aller Auslandsschulden für alle LDCs über die HIPC-Initiative hinaus, die Umsetzung der bereits zugesagten öffentlichen Entwicklungsleistungen sowie die Mobilisierung zusätzlicher finanzieller Ressourcen für die ärmsten Länder. Die NGOs forderten weiterhin für die LDCs den freien und vertraglich garantierten Zugang zu den Märkten der Industrieländer, eine transparente und verantwortliche Regierungsführung, die Stärkung des Erziehungs- und Bildungssektors, die Fokussierung auf ländliche Armut sowie wirksame Richtlinien für die Implementierung und Überprüfung der im Aktionsplan gemachten Zusagen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene.

Weder Innovationen noch Zugeständnisse

Wer sich in Brüssel allerdings innovative Rezepte zur Lösung alter Probleme erhofft hatte, wartete vergeblich. Zu gering war der politische Wille der entwickelten Länder, im Vorfeld weitaus bedeutenderer UNKonferenzen, wie der internationalen Konferenz über die Zukunft der Entwicklungsfinanzierung (FfD) oder der Rio-plus-10- Konferenz im Jahr 2002, substantielle Zugeständnisse an die ärmsten Länder zu machen. Die EU hatte ihr Verhandlungsmandat in Form sog. "deliverables” schon vor der Konferenz auf den Tisch gelegt. Neben der bereits im Februar verabschiedeten Initiative zur vollständigen Marktöffnung für alle Produkte (außer Waffen) aus den LDCs ("Everything but Arms" - kurz EBA) umfaßte das EU-Verhandlungspaket den verbesserten Zugang zu Arzneimitteln, eine internationale Initiative zur Investitionsförderung sowie technische Hilfen für die Umsetzung bestehender multilateraler Abkommen. Zurückhaltend bewerteten nicht nur die NGOs die EBA-Initiative: Von ihr werden nach ersten Schätzungen nur ausgewählte LDCs profitieren können. Zudem wird sich im Hinblick auf die langen Übergangszeiten für die wirtschaftlich interessanten Agrarprodukte wie Zucker, Bananen und Reis der Nutzen erst in mehreren Jahren einstellen. Ob die anderen Mitglieder der Quad-Gruppe (USA, Kanada und Japan) der im Aktionsprogramm unverbindlich formulierten Aufforderung zur Schaffung eines zoll- und quotenfreien Zugangs zu ihren Märkten in absehbarer Zeit folgen werden, ist ebenso unklar.

Zwei kürzlich veröffentlichte Studien der UNCTAD (s. Hinweis) rechnen vor, daß auch schon vor der EBA-Initiative weniger als 5% der LDC-Exporte in die EU (die insgesamt die Hälfte aller LDC-Exporte weltweit ausmachen) mit einem Zoll belegt waren, verglichen mit den Zollschranken der anderen Quad-Länder, die 1999 50% des Wertes aller LDC-Exporte in diese Länder betrafen. Zudem wirken nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie z.B. uneinheitliche Ursprungsregeln und hohe technische und gesundheitspolizeiliche Produktstandards innerhalb der EU als kaum versteckter Handelsprotektionismus. Zudem ist die EBA-Initiative, entgegen der ursprünglichen Forderung der LDCs, einseitig, nicht rechtlich bindend und bietet aufgrund fehlender Preisgarantien im Gegensatz zum EU-AKP-Abkommen nur unzureichende Planungssicherheit. Zudem wird die Exportsteigerung der LDCs hauptsächlich zu Lasten armer Nachbarländer im Süden gehen, deren Exporte von solchen aus LDCs verdrängt werden, so die Befürchtungen. "Die LDCs werden einer neuen WTO-Runde fernbleiben, wenn frühere Abkommen, die Vorteile für die LDCs bringen sollten, nicht angemessen umgesetzt werden," erklärte Abdul Jalil, Handelsminister von Bangladesch, dem Wortführer der LDCs während der Konferenz.

Wer zahlt?

Bis zum Konferenzende ungelöst blieb der Konflikt zwischen den Industrieländern und der Gruppe der 77 (G-77) über die Verteilung der Verantwortung für die Umsetzung der im Aktionsprogramm festgeschriebenen Maßnahmen. Besonderen Zündstoff bot die Definition der sog. Development Partners als der für die eigentliche Umsetzung verantwortlichen Akteure: Sah der Entwurf des Aktionsprogramms vom 11. April noch vor, neben den Industrieländern und den multilateralen Organisationen auch die entwickelteren Nachbarn der LDCs im Süden im Rahmen ihrer Möglichkeiten in die Pflicht zu nehmen, so wurde die Definition der Development Partners völlig aus dem Schlußdokument gestrichen. Während der Verhandlungen unterstrichen die wirtschaftlich besser gestellten Mitglieder der G-77 wiederholt ihre bereits im Rahmen der Süd-Süd-Kooperation und von regionalen Abkommen bestehenden Verpflichtungen als ausreichend. Durchgesetzt haben sich die Geberländer aber bei der expliziten Einbeziehung von "guter Regierungsführung", Rechtsstaatlichkeit und der Bekämpfung von Korruption in das neue Aktionsprogramm. Die G-77 befürchteten deshalb eine Konditionierung der Brüsseler Beschlüsse und unterstrichen ihrerseits die Bedeutung von "transparenter" Regierungsführung und die Stärkung institutioneller Strukturen in den LDCs. Was die finanziellen Zusagen betrifft, so beschränkt sich das Aktionsprogramm auf die Wiederholung des schon auf der 1. LDCKonferenz 1981 formulierten Ziels, mindestens 0,15% des Bruttosozialprodukts (BSP) der Industrieländer für die LDCs zur Verfügung zu stellen bzw. auf 0,20% des BSPs zu steigern. Doch die Zahlungsmoral in den meisten Industrieländern ist schlecht: Die realen Netto-ODA-Flüsse in die LDCs sind in den 90er Jahren um 45% gesunken, Deutschland stellt nur etwa 0,05% des BSPs für die LDCs zur Verfügung. Enttäuschend ist auch, daß der Aktionsplan die Geber auch in der 3. Auflage nicht auf einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung der ODA-Ziele verpflichtet. "Déjà vu", kommentierte ein NGO-Vertreter aus Nepal diesen Stillstand.

Gegensätzliche Optik

Die politische Bewertung des von den 157 Teilnehmerstaaten verabschiedeten Aktionsplans fällt erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Vertreter des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit werteten die Konferenz als großen Erfolg, nicht zuletzt weil sich Bundesministerin Heidemarie Wieczorek- Zeul im Dialogforum zu privaten Investitionen und Unternehmensentwicklung für eine Stärkung der privaten Investitionsflüsse in die LDCs eingesetzt hat. "Es wäre absurd, zur Begegnung der globalen Herausforderungen nur öffentliche Mittel heranziehen zu wollen," so Wieczorek-Zeul. Die Realität spricht eine andere Sprache: Zwar haben sich die privaten Direktinvestitionen in die LDCs von 0,6 Mrd. US-Dollar 1990 auf 5,2 Mrd. US-Dollar 1999 erhöht, die Kapitalflüsse konzentrieren sich jedoch nach wie vor auf einige wenige rohstoffreiche LDCs (z.B. Angola oder Sambia), fand eine Anfang Mai veröffentlichte UNCTAD-Studie heraus (s. Hinweis). Die NGOs äußerten sich in ihrer Abschlußerklärung dagegen enttäuscht über den Ausgang der Konferenz: Zu sehr habe sich die Konferenz auf Handels- und Marktzugangsfragen konzentriert, zu wenig jedoch die Bedeutung von menschlicher Entwicklung für die Überwindung der weltweiten Armut betont. Während die Auslandsschulden der LDCs Ende 1998 auf über 150 Mrd. US-Dollar gestiegen sind, konnten sich die Geberländer nicht darauf verständigen, über die erweiterte HIPC-Initiative hinauszugehen. Ein von den ärmsten Ländern befürwortetes Schuldenmoratorium für alle HIPC-Länder im Vorfeld eines vollständigen Schuldenerlasses soll dem Aktionsplan zufolge nur in Einzelfällen erwogen werden. Papier ist bekanntlich geduldig, und das beste Aktionsprogramm nur so gut wie seine Umsetzung. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan gab sich in seiner Eröffnungsrede diesbezüglich skeptisch: "Warum veranstalten wir diese Konferenzen eigentlich, wenn die Regierungen ihren hehren Worten keine Taten folgen lassen?" In der Tat stimmt ein Blick in den dritten Teil des Aktionsprogramms über die Umsetzung und die Überprüfung der Verpflichtungen überaus pessimistisch. War ursprünglich noch für 2006 ein hochrangiges Treffen zur Überprüfung des Aktionsprogramms ("comprehensive mid-term review”) vorgesehen, so wurde diese Überprüfung schließlich auf einen später zu bestimmenden Zeitpunkt vertagt. Auf Nachfrage erklärte die niederländische Entwicklungsministerin Eveline Herfkens, daß den Geberländern Zeit zur Umsetzung des neuen Aktionsplans gegeben werden müsse. Die Antwort auf die Frage freilich, warum die ärmsten Länder nach zwei gescheiterten Aktionsprogrammen mehr Vertrauen in den dritten Versuch haben sollten, blieb sie schuldig.

Klaus Schilder

Hinweise:

  • Draft Programme of Action for the Least
  • Developed Countries for the Decade 2001- 2010. UN-Document A/CONF.191/L.18 vom 20. Mai 2001
  • UNCTAD/Commonwealth Secretariat,
  • Duty Free and Quota Free Market Access for LDCs: An Analysis of Quad Initiatives, London-Geneva 2001
  • UNCTAD, Improving Market Access for
  • Least Developed Countries, Division International Trade in Goods and Services, Geneva, May 2001
  • UNCTAD, FDI in Least Developed Countries
  • at a Glance, United Nations: Geneva, May 2001

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Zugehörige Dateien:
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