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Über die Kampagne für eine Reform der Hermes-Bürgschaften

23.05.1997: Hintergründe und Positionen

Einleitung

Die Deckungszusage für eine Hermesbürgschaft in Höhe von 1,3 Mrd. DM für das Drei-Schluchten-Projekt in China hat erneut deutlich gemacht, daß dieses Exportförderungsinstrument - trotz der Lippenbekenntnisse in offiziellen Verlautbarungen - soziale, ökologische und menschenrechtliche Interessen in den Empfängerländern grob mißachtet. Daß dies mit Unterstützung von Steuergeldern geschieht, ist ein Grund mehr, die deutsche Exportförderung auf den Prüfstand zu stellen.

Das Hermes-Instrumentarium zur Versicherung von Ausfuhren deutscher Exporteure ist ein zentraler Pfeiler der Exportförderung. Wenn in der Vergangenheit offiziell über Reformen von Hermes diskutiert wurde, ging es lediglich um die Anpassung von Deckungssummen, Prämien und Gebühren, um Flexibilisierung und Beschleunigung bei der Antragsbearbeitung und um internationale Harmonisierung. Die Diskussion über qualitative Kriterien wie ökologische und soziale Standards wurde dabei vollkommen vernachlässigt. Um auf diesem Gebiet Veränderungen zu erreichen, haben WEED und Urgewald sich entschlossen, eine Kampagne zur Hermes-Reform zu initiieren.

Mit Hermes-Bürgschaften wird nur ein Teil des deutschen Außenhandels verbürgt: Die Bundesrepublik exportiert jährlich Waren im Wert von 800 Mrd. DM. Davon werden etwa 5% mit Hermes-Bürgschaften abgesichert . Aufgrund des staatlichen Engagements bei Hermes, sind hier aber die Einflußmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume größer als im rein privaten Handel. Ein mit qualitativen Kriterien versehener Hermes, der sich an dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung orientiert, könnte in Zukunft zum Vorbild für den privat- bzw. nicht-verbürgten Außenhandel werden.

Die Kampagne zur Hermes-Reform knüpft an die bisherigen Bemühungen zu diesem Thema an. Es kann auf viele Vorarbeiten z.B. der GKKE, von KoBra, den Grünen, der SPD u.a. aufgebaut werden. Die Kampagne zielt zum einen auf eine breite Basismobilisierung. Die Mobilisierung für das eher spröde Thema "Hermes" soll vor allem durch die Darstellung besonders umstrittener Hermes-Exporte geleistet werden (Großstaudämme, Rüstungsgüter, Atomkraftwerke). Zum anderen besteht die Kampagne in intensivem politischen Dialog auf nationaler und internationaler Ebene. Dieser zielt auf nationaler Ebene vor allem auf die im Hermes-Vergabe-Ausschuß (IMA) vertretenen Ministerien sowie auf Parlamentarierinnen und Parlamentarier in den zuständigen Parlamentsausschüssen. Auf internationaler Ebene liegt der Focus auf den Verhandlungen zur Exportförderungs-Harmonisierung in EU und OECD. Auch die G7-Gipfel bieten Anlaß und Möglichkeit für Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit, da auf Druck US-amerikanischer Umweltgruppen seit dem 1997er Gipfel in Denver die Exportfinanzierung auf der Tagesordnung steht.

Ziele der Kampagne

Ziel der Kampagne ist es, daß durch staatliche Hermes-Bürgschaften nur noch sozial, ökologisch, friedenspolitisch und menschenrechtlich akzeptable Projekte unterstützt werden.

Bei der Verfolgung dieses Ziels ist zu beachten, daß Hermes zwar ein wichtiger Teil des deutschen Außenhandels ist, ein großer Teil der Exporte aber nicht oder privat versichert wird (Zahlen s.u.). Deshalb muß die Hermes-Reform in den Kontext einer sozial-ökologischen Umgestaltung des deutschen Außenhandels gestellt werden.

In einer Zeit, in der die Ideologie vorherrscht, daß Nationalstaaten als Standorte auf dem Weltmarkt um Marktanteile konkurrieren müssen, sind soziale und ökologische Reformen in einem einzelnen Land nur schwer durchzusetzen und weiterzuentwickeln. Die Notwendigkeit (und vielleicht auch die Möglichkeit) von internationalen Regulierungen nimmt daher zu. Aus diesem Grund ist es ein Ziel der Kampagne, die internationale Einführung von entsprechenden Standards voranzutreiben (zum Diskussionsstand s.u.).

Hermes heute

Stellung von Hermes im deutschen Außenhandel

Für den Handel mit anderen Industrieländern spielen Hermes-Absicherungen nur eine geringe Rolle (1997 wurden nur 0,3 % der deutschen Exporte in andere Industrieländer gedeckt). Für Mittel- und Osteuropa ist die Bedeutung von Hermes-Bürgschaften insgesamt stark rückläufig (von 1992: 32,4 % auf 1997 5,2%); die Russische Föderation war 1997 mit 3,6 Mrd. DM aber das Hauptbstimmungsland neu übernommener Deckungen. Gleichbleibend bedeutsam ist das Instrument weiterhin für den Handel mit dem Süden: Exporte in Entwicklungs- und Schwellenländer werden zu mehr als 20 % durch Hermes verbürgt (Zahlen für das Jahr 1997; vgl. Hermes AG 1998).

1997 wurden Auftragswerte in Höhe von 36,8 Mrd. DM abgesichert. Die wichtigsten Länder, für die Bürgschaften gewährt wurden, waren im Jahre 1997 Rußland, China, Indonesien, Türkei und Brasilien (Hermes AG 1998). Die Häufung von Verbürgungen für Länder, die zu den menschenrechtlich fragwürdigsten gehören, ist auffällig.

Finanzielles Defizit von Hermes

Das Defizit der Hermes-Versicherung hat 1994 ca. 4,3 Mrd. DM betragen, 1995 1,5 Mrd. und 1996 867 Mio. DM (ebd.). Der Rückgang des Defizits wird durch hohe Tilgungszahlungen begründet, "insbesondere aus Schuldnerländern [die] ihren Zahlungsverpflichtungen aus Umschuldungsabkommen nachkommen" (BMWi 1997). Die wichtigsten Zahler waren im Jahre 1996 Brasilien, Rußland, Argentinien und Polen. 1997 belief sich das Defizit auf "nur" 583 Mio. DM. Die Finanzkrisen in Asien und Rußland lassen jedoch wieder höhere Zahlungsausfälle für die kommenden Jahre erwarten.

Schulden

Aus Hermes-Bürgschaften resultieren für die Entwicklungsländer Schulden in Höhe von rd. 17 Mrd. DM (per 31.12.1997). Die Zins- und Tilgungsleistungen der Entwicklungsländer auf Handelsforderungen (einschließlich der Forderungen der ehemaligen DDR) belaufen sich ebenfalls auf ca. 17 Mrd. DM (BT-DS 13/11236). Es wurden bisher Schuldenerlasse für Handelskredite in Höhe von ca. 6,9 Mrd. DM getätigt, davon 3,7 Mrd. für Polen. Die übrigen 3,2 Mrd. DM verteilen sich auf insgesamt 23 Entwicklungsländer. Der höchste Nachlaß fand dabei für Ägypten (1,159 Mrd.) statt.

Transparenz und Partizipation

Der Bundestag wird bisher nur insofern an den Hermes-Bürgschaften beteiligt, als er die Ermächtigung für die jährliche Höchstdeckungssumme im Haushaltsgesetz erteilt. Da die Höchstdeckungssumme bisher immer über der tatsächlich verbürgten Summe lag - 1997 lag die ermächtigte Höchstdeckungssumme bei 200 Mrd. DM; davon wurden 193 Mrd. DM tatsächlich in Anspruch genommen -, hat das Parlament keine weiteren Eingriffs- oder Kontrollmöglichkeiten. Insofern kann von der Vergabe einer ´Blankovollmacht´ durch den Bundestag gesprochen werden.

Die demokratische Kontrolle der Deckungszusagen soll durch den Haushaltsausschuß gewährleistet werden. Dieser wird jährlich bzw. halbjährlich über die übernommenen Deckungen vertraulich informiert. Zusätzlich wird er unterrichtet über beabsichtigte "Einzelgeschäfte über 500 Mio. DM sowie über militärisch relevante Entscheidungen (sensitive Geschäfte) jeglichen Umfangs" (Fues 1993, S.11). Eine Unterrichtung des Parlaments oder der Öffentlichkeit über alle anderen geförderten Projekte findet nicht statt.

Eine Mitwirkung im interministeriellen Ausschuß (IMA), der über die Deckungen im Einzelfall beschließt, ist Vertretern von Industrie und Banken vorbehalten. Im IMA hat das Wirtschaftsministerium die Federführung und AA, BMZ und BMF (theoretisch) eine Art Vetorecht. Von diesem Recht machen diese Ministerien aber in der Regel keinen Gebrauch. Insbesondere das BMZ, als "schwaches" Ministerium, scheint trotz inhaltlicher Einwände gegen bestimmte Projekte eine Linie der Konfliktvermeidung mit dem BMWi zu verfolgen.

Berücksichtigung von umwelt- und entwicklungspolitischen Aspekten

"Die Bundesregierung berücksichtigt entwicklungspolitische und ökologische Aspekte bei der Entscheidung über Hermes-Anträge" (Lammert 1996, S.11). Die sachliche Basis für eine solche Berücksichtigung soll ein Memorandum des Antragstellers bieten, in dem dieser neben "Angaben zu der entwicklungspolitischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung" des Projekts seit 1995 auch "Angaben zu den Umweltaspekten des zu in Deckung zu nehmenden Projektes" machen muß ( AGA-Report Nr. 56; S.2). Seit Mitte 1998 werden den Antragstellern fünf Fragen zur Umweltsituation gestellt, die diese ohne technische Spezifikationen beantworten sollen, soweit sie ihnen bekannt sind. Richtlinien darüber, in welcher Form diese Angaben in die Deckungsentscheidungen einfließen, gibt es nicht. Die Hermes AG ist dabei angehalten, darauf zu achten, "daß die Berücksichtigung von Umweltaspekten im Entscheidungsverfahren nicht zu Verzögerungen führt, welche die Exporteure im internationalen Wettbewerb benachteiligen können" (AGA Report Nr. 72; S.5). Nach Auskunft eines Mitarbeiters der Hermes AG kann eine qualifizierte Einschätzung des Memorandums von Seiten der Hermes AG nicht vorgenommen werden, da dafür das Personal nicht ausgebildet sei ("wir sind hier alles Versicherungskaufleute"). Es besteht daher kein Zweifel, daß die Berücksichtigung entwicklungspolitischer und ökologischer Kriterien für Hermesbürgschaften bisher eine Farce ist.

Bürgschaften für Rüstungs- und Dual-use-Güter

Nach Auskunft der Bundesregierung werden "Lieferungen [von Rüstungsgütern] in Nicht-NATO-Länder zu Kreditbedingungen grundsätzlich nicht verbürgt. Bei dual-use-Gütern erfolgt eine Indeckungnahme grundsätzlich nur, soweit eine nicht-militärische Verwendung durch den Antragsteller dargelegt wird." (Lammert 1996; S.13). Diese Aussage spiegelt insofern nicht die Praxis wider, als z.B. U-Boot-Exporte an Indonesien verbürgt wurden. Welche Brisanz der Export von Rüstungs- und dual-use Gütern hat, ist spätestens durch die Hermes-verbürgte Aufrüstung des Irak deutlich geworden. Informationen darüber, ob oder auf welche Weise die nicht-militärische Verwendung von dual-use-Gütern geprüft wird, liegen nicht vor.

Laut Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen vom 23.2.1994 wurden im Zeitraum von 1990-1993 insgesamt Deckungen für militärische Ausfuhrgeschäfte in Höhe von 1,419 Mrd. DM vergeben ( 1,03% der Gesamtdeckungen). Empfängerländer seien dabei hauptsächlich Nato-Länder (Türkei, Griechenland) gewesen (in: Käpernick / Kulessa 1994, S.89ff.).

Menschenrechte

Laut Auskunft der Bundesregierung können Menschenrechtsverletzungen im Importland bei der Prüfung der Förderungswürdigkeit eine Rolle spielen. Aber: "Die Deckungspolitik muß sich in erster Linie nach kommerziellen und risikomäßigen Gesichtspunkten richten" (Lammert 1996; S.12). Welche Rolle Menschenrechtskriterien in der Praxis spielen, läßt sich daran ermessen, daß der Iran 1996 mit 13,4 Mrd. DM die vierthöchsten Gewährleistungsrisiken aller Länder aufwies (BMWi 1996, S. 25).

Korruption

Es gibt im Rahmen der Hermesbürgschaften keine ausdrückliche Antikorruptionsklausel. Nach Ansicht der Bundesregierung sei diese nicht erforderlich, da der Bund von seiner Entschädigungspflicht frei werde, "wenn sich der ausländische Schuldner zu Recht darauf beruft, daß Bestechungsgelder geflossen sind und damit der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Im übrigen beteiligt sich die Bundesregierung aktiv an den Arbeiten der OECD-Expertengruppe "Illicit Payments", die sich mit Fragen der Bestechung im internationalen Wirtschaftsverkehr befaßt" (Lammert 1996, S.11).

Nach Einschätzung von Transparency International gehören Bestechungszahlungen in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen zur gängigen Praxis und sind in Angebotspreisen einkalkuliert. Damit ergibt sich die Situation, daß auch Bestechungsgelder durch Hermes-Bürgschaften abgesichert werden. Eine erfolgversprechende Prüfung der Anträge in bezug auf mögliche Korruptionszahlungen gibt es bisher nicht (vgl. Eigen 1994, S.102ff.)

Diskussion um Harmonisierung in EU und OECD

Diskussionsstand in der EU

Die EU ist durch den EWG-Vertrag von 1957 dazu verpflichtet, ihre Ausfuhrbeihilfesysteme zu harmonisieren. Nachdem mehrere Vorschläge zur Harmonisierung der Exportbürgschaftsversicherungen gescheitert sind, wird seit 1994 ein neuer Vorschlag der EU-Kommission diskutiert. Starke Kritik wurde an diesem Vorschlag von Industrieseite durch UNICE (Union of Industrial and Employers´ Confederations of Europe) und von Bankenseite durch die FBE (Fédération Bancaire de L´Union Européenne) geübt, da die Höchstdeckung der Versicherungen auf 90% bzw. 95% begrenzt bleiben soll. Dies käme einem Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA und Japan gleich, wo Versicherungspolicen mit 100% Ausfalldeckung angeboten werden. Von Seiten der Grünen (MdEP Wolfgang Kreissl-Dörfler) wird dagegen kritisiert, daß es keine Verbesserungen in bezug auf Transparenz, Ökologie, Menschenrechte und entwicklungspolitische Kriterien gebe. In der EU ist die Tendenz zu beobachten, die Verhandlungen zu diesem Thema so lange zu verschleppen, bis eine Einigung auf OECD-Ebene erreicht worden ist.

Diskussionsstand in der OECD

In der OECD gibt es in der sogenannten Export Credit Group (ECG) im Rahmen des Trade-Committee seit einigen Jahren Bemühungen um Harmonisierung der Bedingungen für Exportkredite und Exportversicherungen. Die Vertreter der nationalen Exportversicherungen diskutieren dort vor allem über finanzielle Konditionen (Höhe der Zinssätze, Laufzeiten etc.). Aufgrund US-amerikanischer Vorstöße wurden in den 90er Jahren auch mögliche Umweltstandards zum Thema. Für die USA ist dieses Thema wichtig, da ihre eigenen Exportversicherungen (EXIM, OPIC) als einzige in der OECD zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen gesetzlich verpflichtet sind. Von deutscher Seite wird behauptet, "daß die Bundesregierung [...] Bemühungen, auch in bezug auf die Prüfung der Umweltverträglichkeit innerhalb der OECD abgestimmte Verfahren einzuführen" unterstütze (Lammert 1996, S.10). Dagegen steht die Aussage amerikanischer Vertreter in der Export Credit Group, wonach die Bundesrepublik sich "aus prinzipiellen Gründen" gegen Umweltrichtlinien ausgesprochen habe. Es ist offensichtlich, daß bisher von seiten der Bundesregierung keinerlei konstruktive Vorschläge für ökologische Verbesserungen in die Export Credit Group eingehen. 1996 ist auch der Versuch, in der ECG für einzelne Projekte Umweltstandards abzusprechen, aufgrund des Widerstands verschiedener Länder (v.a. Österreich und Japan) gescheitert. (Zur Diskussion über Umweltstandards in der ECG ist bei WEED ein 3-seitiges Briefing erhältlich).

Hermes im Vergleich zu anderen Exportversicherern in der OECD

Praktisch alle OECD-Länder haben ähnliche Instrumente wie die Hermes-Versicherung - allerdings mit unterschiedlichen rechtlichen Konstruktionen. Insbesondere variiert die Nähe zu und die Verflechtung mit staatlichen Institutionen (vgl. OECD 1995).

Die Mehrzahl der Versicherungen erwirtschaftete Anfang der 90er Jahre hohe Defizite, insbesondere diejenigen in Japan und Frankreich. Ähnlich wie bei Hermes scheinen aber auch in anderen Ländern die Subventionen für die Exportversicherungen rückläufig zu sein (beispielsweise wiesen COFACE (F) und ECGD (GB) 1995 Überschüsse aus).

Eine gesetzliche Forderung, daß entwicklungspolitische Kriterien berücksichtigt werden müssen, gibt es bisher nur in der Schweiz. Die Praxis dort ist aber trotzdem unbefriedigend, wie die Bürgschaftszusage für das Drei-Schluchten-Projekt verdeutlicht.

Ökologische Richtlinien gibt es bisher nur in den USA, dort sowohl für die EXIM-Bank als auch für OPIC (Overseas Private Investment Corporation). Diese Richtlinien werden seit 1995 beständig weiterentwickelt und lehnen sich an die Kriterien der Weltbank an. Sie umfassen u. a. eine "Negativliste" von Projekten, die unter keinen Umständen gefördert werden. Bei OPIC sind dies z. B. Infrastrukturprojekte in tropischen Primärwäldern und Großstaudämme, bei denen mehr als 5.000 Menschen umgesiedelt werden müßten; bei der EXIM-Bank ist vor allem die Verwendung bestimmter Chemikalien von der Förderung ausgeschlossen. Von seiten der US-Industrie wurde sowohl Kritik als auch Akzeptanz für die Richtlinien geäußert. In der Praxis hatten die "Guidelines" zur Folge, daß ein Projekt wie Drei-Schluchten von der EXIM abgelehnt wurde, ein Projekt wie Temelin (AKW in Tschechien) aber unterstützt wurde.

In bezug auf Transparenz sind ebenfalls die USA führend: dort werden noch während der Antragstellung Projekttyp und Projektort veröffentlicht, auch um Umweltgruppen die Möglichkeit des Einspruchs gegen Förderanträge zu geben. In der Schweiz werden - im Gegensatz zu Deutschland - genehmigte Anträge i.d. R. unter Nennung der Firma und der Deckungssumme veröffentlicht. Dagegen fehlt dort die in Deutschland übliche Aufschlüsselung der zugesagten Deckungen nach Ländern bzw. Ländergruppen. Die parlamentarische Kontrolle - und damit auch möglicher Zugang für NRO - variiert stark zwischen den verschiedenen Ländern (vgl. Thomas Fues 1994).

Kampagnen-Forderungen

Transparenz und Partizipation

Neben der Einführung von sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Standards besteht die zentrale Forderung in einer weitgehenden öffentlichen und parlamentarischen Information zu und Beteiligung an den Hermes-Entscheidungen. Erst durch diese Informations- und Mitwirkungsrechte wird gewährleistet, daß der nötige politische Druck entstehen kann, damit qualitative Kriterien tatsächlich eingehalten und weiterentwickelt werden.

Wie kann eine weitgehende Transparenz und öffentliche Kontrolle aussehen?

Zum einen muß die parlamentarische Kontrolle verbessert werden. Dies kann beispielsweise so gestaltet werden, daß die anstehenden Entscheidungen des IMA den zuständigen Parlamentsausschüssen mitgeteilt werden (Haushaltsausschuß, Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und beispielsweise auch dem Umweltausschuß). Diese sollten dann mit einem Einspruchsrecht ausgestattet werden. Die bisherige Praxis, daß der Bundestag qua Haushaltsgesetz dem IMA praktisch eine Blankovollmacht für Deckungszusagen gibt, muß ebenfalls verändert werden.

Die Öffentlichkeit soll nicht - wie bisher - nur über die in Deckung genommenen Summen, sondern auch über die Einzelmaßnahmen vor der Entscheidung informiert werden. Durch Veröffentlichung von Projekttyp, Ort und Summe z.B. im Internet wird eine öffentliche Beteiligung - auch von NRO aus dem Süden - ermöglicht, ohne daß das Betriebsgeheimnis verletzt wird. Einsprüche gegen Projekte beispielsweise durch Umwelt- und Entwicklungs-NRO müssen bei der Vergabe berücksichtigt werden.

Ökologie

Es muß sichergestellt werden, daß mit Hermes nur Projekte gefördert werden, die einer ökologisch und sozial verträglichen Entwicklung im Sinne der Agenda 21 entsprechen. Dafür müssen Hermes-Anträge ein transparentes ökologisches Prüfverfahren durchlaufen. Ein solches Verfahren gewährleistet sicherlich nicht, daß nur noch ökologisch vernünftige Projekte gefördert werden, jedoch können Prüfverfahren mit Mindeststandards besonders schlechte Projekte verhindern bzw. verändern.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung könnte sich an den UVP-Richtlinien des BMZ oder an denjenigen der amerikanischen Exportversicherern EXIM und OPIC orientieren (welche sich wiederum an die Weltbank-Richtlinien anlehnen). Dadurch, daß bei diesen Verfahren zunächst ein Screening der Projekte in offensichtlich ökologisch unbedenkliche (Kategorie C) und bedenkliche (Kategorie A und B) stattfindet, hält sich der Aufwand für diese Prüfungen in Grenzen. Wie die amerikanische Praxis zeigt, ist es offensichtlich möglich, auch innerhalb der (aus Betriebssicht wichtigen) kurzen Bearbeitungszeiten eine ökologische Einschätzung vorzunehmen. Wichtig bei jeglicher ökologischen Einschätzung wäre, daß nicht die Umweltwirkung des einzelnen Exportgutes (z.B. eines Computersystems), sondern die des Projekts (z.B. eines Staudamms) untersucht wird.

Besonders zerstörerische Exporte und Projekte müssen von der Deckung durch Hermes-Bürgschaften prinzipiell ausgeschlossen werden, z.B. Atomtechnologie, Großstaudämme, Industrie- und Bergbauvorhaben in ökologisch sensitiven Ökosystemen, Vorhaben in Primärwäldern jeder Klimazone, gefährliche Chemikalien usw.

Dagegen sollten umweltfreundliche Produkte und Projekte speziell gefördert werden, z.B. durch schnellere Bearbeitung, geringeres Garantieentgelt und längere Kreditlaufzeiten. Zu beachten ist dabei allerdings, daß durch geförderte deutsche Exporte nicht eigenständige nationale Industrien in Entwicklungsländern ruiniert werden.

Verbot der Versicherung von Rüstungs- und Dual-use-Gütern

Der Export von Rüstungsgütern mit Hilfe von Hermes-Deckungen muß prinzipiell ausgeschlossen werden. Für sowohl militärisch als auch zivil verwendbare Exporte (Dual-use-Güter nach Definition der Exportkontroll-Liste der EG-Verordnung vom 01. Juli 1995), muß zumindest für Krisenregionen und Diktaturen eine Bürgschaftsvergabe ausgeschlossen werden.

Entwicklungspolitische Kriterien

Bei Exportbürgschaften für Entwicklungsländer muß durch das BMZ auf transparente Weise geprüft werden, ob das Projekt den Leitlinien der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und den internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik (z.B. Agenda 21) nicht widerspricht. Eine negative Beurteilung muß dann zur Ablehnung der Förderung führen.

Menschenrechte

Hermes-Bürgschaften dürfen keine Exporte in Länder fördern, in denen systematisch Menschenrechte verletzt werden (z.B. nach den Berichten von Amnesty International). Auch sollten keine Lieferungen für Projekte durch Hermes versichert werden, die ohne öffentliche Beteiligung in dem Empfängerland geplant wurden und in denen Verletzung von Arbeiterrechten, Kinderarbeit, Zwangsarbeit o.ä. zu erwarten sind. Firmen, die gegen solche Standards (z.B. nach ILO) verstoßen, sollten von Bürgschaftsvergaben ausgeschlossen werden ("Blacklisting").

Geprüft werden müssen auch die sozialen Folgen der Projekte (z.B. Umsiedlungen u.ä.) und gegebenenfalls deren ausreichende Kompensation.

Korruption

Hier sind detaillierte Vorschläge für eine Anti-Korruptionsklausel durch Transparency International entwickelt worden (vgl. Eigen 1994).

Diese Vorschläge laufen darauf hinaus, daß Geschäfte, die mit illegalen Zahlungen gefördert wurden, kein Anrecht auf staatliche Deckungen erhalten. Um dies durchzusetzen, sollen schärfere Prüfungen stattfinden und die Antragsteller verpflichtet werden, Erklärungen zu unterschreiben, daß ohne Korruption gearbeitet wurde. Bei Verstoß gegen diese Bedingung soll die entsprechende Firma und deren Tochterunternehmen, Vertragshändler usw. von zukünftigen staatlichen Bürgschaften ausgeschlossen werden.

Wir freuen uns über Anregungen und Kritik zu unserem Positionspapier und hoffen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit allen interessierten Gruppen und Personen.

WEED / Urgewald, März 1997 (Letzte Aktualisierung: 01.10.1998)


Quellen:

BMWi (1996): Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften der Bundesrepublik Deutschland. Bericht über das Jahr 1995; Bonn

BMWi (1997): Pressemitteilung des BMWi: Ausweitung und Modernisierung der Hermes-Deckungen zur Unterstützung deutscher Exporte in Wachstumsregionen; Bonn

BMWi (1998): Statement von Bundeswirtschaftsminister Dr. Günter Rexrodt anläßlich des pressegesprächs zur Bilanz der Hermes-Politik ’97 und Ausblick ’98. Bonn, 03. Feb. 1998

BT-DS 13/11236: Bundestags-Drucksache Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Schmitt (Langenfeld) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur "Schuldenkrise in der "Dritten Welt" und HIPC-Initiative der Weltbank"

Eigen, Peter (1994): Einschätzung der Hermesbürgschaften im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf Korruptionszahlungen im Außenhandel - Vortragsniederschrift in: Käpernick/Kulessa (Hrsg.): Der Deutsche Hermes in der Einen Welt

Fues, Thomas (1993): Ökologische und entwicklungspolitische Kritik der Hermes-Bürgschaften; WEED Arbeitspapier 1/93, S.11

Fues, Thomas (1994): Reforming Export Guarantees Systems: Challenges ahead for Northern NGOs; o.O. März 1994

Hermes AG (1998): Ausfuhrgewährleistungen der Bundesrepublik Deutschland. Jahresbericht 1997. o.O. Juli 1998

Käpernick, Ralf /Kulessa, Manfred (Hrsg.) (1994): Der Deutsche Hermes in der Einen Welt. Die staatlichen Hermes-Bürgschaften in der entwicklungspolitischen Diskussion; GKKE, Bonn

Lammert, Norbert (Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi): Anwort auf die kleine Anfrage des Abgeordnenten Dr. Ingomar Hauchler vom 4.September 1996; Bonn

OECD (1995): Export Credit Financing Systems in OECD Member and Non-member Countries; 5. Auflage